Städte bremsen Abriss der Platte

Thüringer Wohnungsunternehmen wollen auch in Zukunft nicht auf DDR-Bauten verzichten

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.
Plattenbauten sind die wichtigste architektonische Hinterlassenschaft der DDR, viele sind schon abgerissen. Dennoch werden sie das Stadtbild auch in Thüringen ziemlich sicher weiter mitprägen.

In den vergangenen 25 Jahren wurden auch in Thüringen viele DDR-Plattenbauten komplett oder teilweise abgerissen; aus verschiedenen Gründen: Weil ihre Grundrisse nicht die Anforderungen vieler Menschen an modernes Wohnen erfüllen. Weil sie vielen Menschen als Wohnungen für Einkommensschwache oder Bildungsferne gelten. Weil viele Menschen aus dem Osten abgewandert sind. Die Folge, vor allem in den 1990ern: Leerstand, besonders in der Platte, den sich Wohnungsunternehmen einfach nicht leisten konnten.

Trotzdem wollen viele kommunale Wohnungsunternehmen in Thüringen nach eigenen Angaben auch in Zukunft nicht auf die Plattenbauwohnungen in ihrem Bestand verzichten. Mehr noch: Die Verantwortlichen in diesen Unternehmen halten die Platte auch weiterhin für einen elementaren Teil des Wohnungsmarktes in ihren Regionen und damit im gesamten Land. »Die Platte bietet die Möglichkeit, dank ihrer kompakten Bauweise preiswerte Wohnungen in guter Bauqualität anzubieten«, sagt beispielsweise der Geschäftsführer der Gewo in Suhl, Ralf Heymel. »Die energetischen Kennwerte sanierter Plattenbauten sind mit Neubauten vergleichbar.« Seine Kollegen unter anderem aus Weimar, Jena, Bad Salzungen, Eisenach und Gera äußern sich ähnlich. Die Kowo Erfurt ließ eine Anfrage zu dem Thema unbeantwortet.

Der Geschäftsführer der Gewog in Bad Salzungen, Uwe Arndt, bringt es ähnlich wie Heymel auf den Punkt. »Solides Bauwerk, perfektes Zusammenwirken zwischen Bauwerk und vorhandener Infrastruktur, gute Grundrisse - die aber auch mit überschaubaren Kostenaufwand geändert werden können - , geringere Sanierungskosten auf Grund hoher Wohnungsanzahl ist gleich bezahlbare Mieten«, sagt er. Ein Sprecher der Gesellschaft Weimarer Wohnstätte verweist zudem darauf, dass gerade Plattenbauwohnungen die Erfordernisse besonders älterer Menschen nach barrierearmen oder barrierefreiem Wohnraum erfüllen. Deshalb sagt auch er: »Die Plattenbauten waren in den vergangenen Jahren unerlässlich und werden es auch weiterhin sein, um den Bedarf an Wohnungen in den verschiedenen Ausstattungsstandards zu decken.«

Ob die einzelnen Unternehmen - besonders auch vor dem Hintergrund des steigenden Wohnungsbedarfs wegen des Flüchtlingszustroms - in den kommenden Monaten oder Jahren unabhängig von diesem grundsätzlichen Bekenntnis zur Platte auch weiterhin Plattenbauwohnungen abreißen, hängt stark vom regionalen Einzelfall ab. In Suhl beispielsweise plant die Gewo nach Angaben von Heymel zwar für 2016 keine weiteren Abrisse, will aber in den Folgejahren weitere Plattenbauten zu Fall bringen. In der Stadt gebe es noch immer zu viele Plattenbauten, »aber zu wenig Angebote an neu gebauten Mietwohnungen und hochwertig sanierten Bestandswohnungen«, sagt Heymel. Nach diesen gebe es aber eine steigende Nachfrage.

Von der GWB Elstertal in Gera heißt es, man plane demnächst, noch einzelne Plattenbauten in der Stadt abzureißen. Für 2016 sei zum Beispiel der Abriss eines Blockes im Stadtzentrum geplant, der einem Campusneubau weichen müsse. Die Gewog plant für Bad Salzungen nach Angaben von Arndt noch den Abriss von zwei Plattenbauten mit 127 Wohnungen zur Umsetzung eines Stadtentwicklungskonzepts.

In den schon seit Längerem wachsenden Städten Jena und Weimar, aber auch in Eisenach sollen dagegen bei den kommunalen Wohnungsunternehmen erst mal keine Plattenbauten mehr fallen. In Jena gebe es eine hohe Wohnungsnachfrage auch im Niedrigpreis-Segment, sagt ein Sprecher von Oberbürgermeisters, Albrecht Schröter (SPD). Daher sei ein weiterer Abriss von Platten nicht vertretbar. Der Sprecher der Weimarer Wohnstätte sagt, für die Klassikerstadt seien Abrisse von Plattenbau-Wohnungen derzeit weder städtebaulich noch mit Blick auf den dortigen Wohnungsmarkt sinnvoll.

Der Geschäftsführer der Städtischen Wohnungsgesellschaft Eisenach, Wilhelm Wagner, formuliert das ähnlich: »Wir haben nichts mehr zum Abreißen. Was wir noch haben, ist vollsaniert und so etwas reißen wir nicht ab.« Frühere Überlegungen, Plattenbauwohnungen vom Markt zu nehmen, seien inzwischen verworfen worden, weil die Objekte komplett vermietet seien.

Dazu, wie hoch die Bedeutung der Platte für viele große Wohnungsunternehmen in Thüringen ist, sagt Wagner etwas ziemlich eindeutiges: Ohne diese Wohnungen gebe es diese Unternehmen gar nicht. Sie stellten deren »Rückgrat« dar.

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