Investitionen fehlen

Hohe Binnennachfrage rettet die Konjunkturzahlen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Im vergangenen Jahr wuchs das deutsche Bruttoinlandsprodukt weiter. Die Investitionen schwächeln derweil weiter.

Die deutsche Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 1,7 Prozent gewachsen. Da die Ergebnisse für die ersten drei Quartale bekannt waren, ist das erst einmal keine Überraschung. Überrascht zeigten sich Analysten am Donnerstag aber vom schwachen vierten Quartal 2015. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes legte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um etwa ein Viertel Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. In den meisten Wachstumsprognosen war ein höherer Wert erwartet worden.

»Tragpfeiler der Konjunktur« war 2015 nach Einschätzung Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) der private Konsum. Die höhere Binnennachfrage dürfte vor allem durch Mindestlohn und höhere Einkommen gestützt worden sein. Nach Tarif bezahlte Arbeitnehmer verdienten vergangenes Jahr deutlich mehr. Real, also nach Abzug der Inflation, hatten die Beschäftigten 2,4 Prozent mehr in der Tasche, ermittelte das gewerkschaftliche WSI-Tarifarchiv. Erneut sei »es den Gewerkschaften gelungen, Tarifsteigerungen durchzusetzen, die oberhalb der laufenden Preissteigerungsrate lagen«, freut sich Reinhard Bispinck, Leiter des Tarifarchivs. So ein Plus gab es seit der Jahrtausendwende nicht. Der private Konsum sorgte mit dem größten Zuwachs seit 15 Jahren allein für einen Prozentpunkt des Wirtschaftswachstums. Auch der öffentliche Konsum von Bund, Ländern und Kommunen legte zu.

Dagegen stottert der Exportmotor: Das produzierende Gewerbe steckt in einer Schwächephase. In der Tendenz, gemessen am Dreimonatsvergleich, waren die Exporte sogar rückläufig. Hierzu trug insbesondere die nachlassende Nachfrage aus größeren Schwellenländern wie China und Russland bei.

Seit langem kritisieren meist linke Ökonomen wie Rudolf Hickel die extreme Abhängigkeit vom Außenhandel. Sie fordern stattdessen eine stärkere Ausrichtung auf die Binnennachfrage. Deutschland hängt wie keine andere große Volkswirtschaft von der Ausfuhr von Maschinen, Autos und Chemieprodukten ab. Die Exportquote (Anteil der Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen am BIP) stieg 2014 auf 45,7 Prozent an. Vergangenes Jahr dürfte sie sich noch leicht erhöht haben.

Eine Konjunkturbremse für die Zukunft sind die schwache Investitionstätigkeiten von Wirtschaft und Staat. Die Investitionsquote bleibe hierzulande hinter ihren Möglichkeiten, beklagt der Präsident des Industrieverbandes BDI, Ulrich Grillo: »Ich bin besorgt, dass diese Regierung dafür vor lauter Krisenmodus blind bleibt«, sagte er in Bezugnahme auf die aktuellen Debatten zur Flüchtlingsfrage. Grillo fordert starke Impulse vom Staat bei der Energiewende, für die Digitalisierung und im Verkehr. Geld ist dafür vorhanden. Der Bundeshaushalt schloss 2015 mit einem Überschuss von vorläufig 12,1 Milliarden Euro ab.

Die allgemeine Unsicherheit über die globale Wachstumsdynamik hat sich mit den Marktturbulenzen in China im Januar weiter erhöht. Am meisten beeindruckt von den Risiken zeigt sich Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Er erwartet für 2016 in Deutschland nur noch ein Wachstum von 1,3 Prozent. Im Schnitt rechnen Bankanalysten und Volkswirte mit einem Plus von 1,8 Prozent. Kommentar Seite 4

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