Nützlicher Ballast

Biolumne

  • Iris Rapoport, Boston und Berlin
  • Lesedauer: 3 Min.

Ballast gilt gemeinhin als unnütz. Und unnütz schienen verschiedene Kohlenhydrate in unserer Kost auch zu sein, für deren Verdauung unser Körper keine Enzyme produziert. Sie sind zwar für Pflanzen und Pilze als Energiespeicher oder Zellwand-Gerüst unverzichtbar, doch für unsere Ernährung anscheinend wertlos. Folglich nannte man sie einst Ballaststoffe.

Doch neuere Erkenntnisse zwangen zum Umdenken. Erstaunlich, was allein Präbiotika, eine Gruppe oft wenig bekannter Ballaststoffe, alles vermögen. Dazu gehören Inulin und resistente Stärke - eine spezielle Stärke, die sich dem normalen Abbau entzieht. Von ihnen ernähren sich im Dickdarm, in dem ja keine Verdauung mehr stattfindet, gerade solche Bakterien, die unsere Gesundheit fördern. Deren Wachstum und die durch ihren Stoffwechsel verursachte Ansäuerung des Darmes schützen uns, indem dies die Besiedlung durch andere, krank machende Keime zurückdrängt.

Doch sie können noch mehr. Sie unterstützen das Immunsystem des Darmes. Und sie wandeln die Präbiotika sogar in Nährstoffe für uns um, etwa Butter- oder Essigsäure. Besonders die Buttersäure nutzt der Darmschleimhaut gleich mehrfach. Sie dient den Zellen als wichtige Energiequelle und greift außerdem direkt in deren DNA-Ablesung ein. Dabei kann sie vermutlich die Vermehrung potenzieller Krebszellen hemmen. Man sollte ihnen deshalb verzeihen, dass sie mit Gasbildung Blähungen verursachen können. Auch Essigsäure wird im Körper verwertet. Anders als einst gedacht, liefert also zumindest ein Teil der vermeintlichen Ballaststoffe dem Körper doch Energie. Ihr Beitrag zur gesamten Kalorienzufuhr ist jedoch gering.

Eine bekanntere Gruppe von Ballaststoffen bildet lange, unlösliche Fasern. Dazu gehören Zellulose und Lignin. Bakterien im Magen der Wiederkäuer können sogar diese verwerten. Unsere »Untermieter« können das nicht und so passieren die Fasern praktisch unverändert den Verdauungstrakt. Und trotzdem nutzen sie uns! Sie binden viel Wasser und quellen. Bereits der Magen wird dadurch gedehnt. Dabei werden Sättigung signalisierende Hormone ausgeschüttet. Dazu muss allerdings ausreichend getrunken werden, sonst wird das Wasser dem Mageninhalt entzogen. Die Folge: Verstopfung. Das ist paradox, denn normalerweise wirken die Ballaststoffe im Darm gerade einer Verstopfung entgegen, weil durch das Dehnen dessen Peristaltik angeregt wird. Dadurch werden auch in geringerem Maße schädigende Stoffe gebildet oder schnell ausgeschieden. Zusätzlich wird im Dünndarm durch den viskosen Brei die Aufnahme von Glukose verlangsamt und die von Cholesterin verringert.

30 Gramm Ballaststoffe täglich empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Leider verzehrt die Mehrheit der Deutschen weit weniger. Da liegt Potenzial brach. Durch mehr Gemüse, Obst und Vollkornprodukte ließe sich das Risiko der zahlreichen durch die Ernährung mitbedingten Krankheiten senken. Denn Ballaststoffe gleichen dem notwendigen Ballast, der ein leeres Schiff stabilisiert: Sie stabilisieren unsere Gesundheit!

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