Syriens »Hoher Verhandlungsrat« - keine Friedensengel

Mohammed Allousch, Delegationsleiter in Genf, hat das Erbe seines religiös-fundamentalistischen Bruders übernommen

  • Karin Leukefeld, Genf
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz eines zähen Auftakts der Syrien-Friedensgespräche in Genf ziehen Diplomaten eine erste positive Zwischenbilanz. Als Erfolg wird unter anderem gewertet, dass die Regierungsgegner teilnehmen.

Der katarische Sender Al-Dschasira begleitet den »Hohen Verhandlungsrat« (HNC) - so nennt sich die Delegation der syrischen Regierungsgegner - bei den Genfer Gesprächen fast auf Schritt und Tritt. Mit dem interaktiven Live-Blog »Syria talks in real time« nimmt Reporterin Basma Atassi die Zuschauer mit zu Pressekonferenzen, die vor dem und im UN-Palast der Nationen abgehalten werden. Man ist dabei, wenn der HNC am Flughafen ankommt und mit dem Bus zum Hotel gebracht wird, kleine Interviews wie mit der Oppositionellen Souhair Atassi inklusive.

Prominent wird auch über die Ankunft von Mohammed Allousch berichtet, den Chef der Islamischen Armee. Allousch führt die HNC-Delegation an. Die syrische Regierungsdelegation will jedoch nicht mit ihm reden. Begründung: Er führe eine Terrororganisation. Iran und Russland unterstützen Damaskus darin.

Belege gibt es dafür reichlich. Die von Saudi-Arabien, Katar, der Türkei und westlichen Staaten gesponserte Gruppe hält den Damaszener Vorort Douma besetzt und greift von dort die Hauptstadt mit Mörsergranaten und Raketen an. Kurz vor Weihnachten waren an nur einem Tag mehr als 80 solcher Geschosse in Damaskus niedergegangen und hatten viele Menschenleben gefordert. Die syrische Luftwaffe reagierte mit Luftangriffen auf Douma. Am 24. Dezember wurde dabei der militärische Anführer der Islamischen Armee, Zahran Allousch, getötet. Eigentlich hatte er die HNC-Delegation in Genf anführen sollen.

Wer wird noch vom HNC in Genf vertreten? Ein wichtiger Kampfverband ist die sogenannte Südfront. Auch sie erfreut sich westlicher Unterstützung. Man sagt, ihr Auftrag sei, im Falle, dass der syrische Präsident Baschar al-Assad stürzt, vom östlichen Tor von Damaskus aus in den Palast einzudringen. Ahrar al-Sham, eine weitere Vereinigung islamistisch-salafistischer Gruppen, die der Ideologie der Muslimbruderschaft folgen, wird vom Golfemirat Katar unterstützt.

Auch die Südfront wird vom HNC vertreten. Sie ist ein Zusammenschluss aus mehr als 30 Gruppen, die aus Jordanien gesponsert werden. Sie kontrolliert Gebiete um die südsyrische Provinzhauptstadt Deraa, wo sie je nach Lage auch mit der für grausame Hinrichtungen bekannten Nusra-Front kooperiert.

Die Islamische Armee vertritt einen dogmatischen Islam salafistisch-wahhabitischer, also saudi-arabischer Prägung. Zahran Allousch besuchte entsprechende Religionsstudien in Saudi-Arabien, wo sein Vater salafistischer Prediger ist. 2011 war Zahran Allousch im Zuge einer Amnestie aus syrischer Gefangenschaft frei gekommen und hatte sich danach sofort wieder bewaffneten Gruppen in Douma, seinem Geburtsort, angeschlossen. In einem Video vom September 2013 erklärte Allousch, er wolle das Umayyaden-Kalifat, welches von Damaskus aus von 661 bis 750 die islamische Welt regierte, in der Levante und anderen muslimischen Ländern neu errichten. Ungläubige müssten weichen, vor allem Muslime schiitischen Glaubens.

»Wir werden die Köpfe der unreinen Schiiten in Nadschaf (eine den Schiiten heilige Stadt in Irak - d. Red) vergraben, so Gott will«, sagte Zahran Allousch in dem Video. Im November 2013 erklärte er gegenüber Al-Dschasira, nach dem Sturz von Assad werde in Syrien ein islamischer Staat errichtet. Die Scharia werde eingeführt, das entspreche dem Willen der Syrer, die mehrheitlich Sunniten seien. Im Laufe des Jahres 2015 besuchte Allousch mehrmals die Türkei, bevor er im September an der Riad-Konferenz oppositioneller Gruppen teilnahm.

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