Festung Europa: Grüne und Linke gegen NATO-Einsatz

Berlin, Ankara und Athen beantragen Marinemission - Seenotrettung ist nicht das Ziel / Regierungskreise: Bundestagsmandat wohl nicht nötig

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Ein militärischer Einsatz unter NATO-Flagge gegen Schleuser und zur Abschottung der Festung Europa rückt näher. Die Regierungen von Deutschland, Griechenland und die Türkei haben nach kontroversen Debatten eine entsprechende Marinemission zur Seeüberwachung in der Ägäis beantragt, verlautete aus deutschen Regierungskreisen. Geführt werden soll diese auf Wunsch von Griechenland und der Türkei von Deutschland. Eine Seenotrettung ist wie bei einer ähnlichen EU-Mission vor Libyen nicht das Ziel. In Notfällen seien die NATO-Schiffe aber verpflichtet, Flüchtlinge zu retten. Diese sollen dann aber zurück in die Türkei gebracht werden. Ob aus deutscher Sicht ein Bundestagsmandat nötig ist, wird noch geprüft. Die Wahrscheinlichkeit sei wegen des reinen Überwachungsauftrags aber gering, hieß es.

Die Grünen warnten angesichts der Pläne vor einer weiteren Militarisierung des Konflikts. Es sei völlig unklar, welche genauen Aufgaben, welche Grundlagen und Grenzen und welchen Mehrwert der NATO-Einsatz haben solle, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger, der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Der Linken-Politiker Alexander S. Neu sagte, »Bundeskanzlerin Angela Merkel treibt gemeinsam mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan ein schmutziges Outsourcing der Flüchtlingsabwehr voran«. Der Versuch, »nun die NATO zum Erfüllungsgehilfen der Flüchtlingsbekämpfung zu machen, lässt nichts Gutes hoffen«. Die Linke lehne »diesen Einsatz in jedem Fall ab«.

Der Initiative von Berlin und Ankara, zu der nun auch Athen »überzeugt« wurde, waren strittige Gespräche vorausgegangen. Ein Punkt, der die Gespräche erschwerte, ist das traditionell schwierige Verhältnis zwischen den Nachbarn Türkei und Griechenland, das von zahlreichen Gebietsstreitigkeiten in der Ägäis geprägt ist. Dieser dauert seit mehr als 40 Jahren an und brachte Griechenland und die Türkei mehrfach nahe an einen militärischen Konflikt brachte - zuletzt 1996. Damals konnte ein Krieg im Streit um zwei Felseninseln in der Südostägäis erst nach Vermittlung der USA abgewendet werden. In der Ägäis werden Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet.

Vereinbart wurde nun, dass an dem Verband teilnehmende griechische Schiffe in griechischen Hoheitsgewässern bleiben und türkische Boote in türkischen. Athen hatte zuerst erklärt, ein NATO-Einsatz sei nur in t+rkischen Hoheitsgewässern denkbar. Die drei Regierungen würden nun hoffen, dass die NATO-Partner das Vorhaben am Donnerstag beim Treffen der Verteidigungsminister des Bündnisses unterstützen und die Mission dann schnellstmöglich starten kann.

Eingesetzt werden soll die Stehende NATO-Marinegruppe 2. Diese wird zur Zeit vom deutschen Versorgungsschiff »Bonn« geführt und hat gerade mit den türkischen Streitkräften Luft- und U-Bootabwehr in der Region geübt. Da der Verband schon in der Region ist, könnte er schnell eingesetzt werden. Deutschland führt diesen noch bis Ende Juni. Deutschland, Griechenland und die Türkei würden auch andere NATO-Staaten bitten, Schiffe bereit zu stellen, hieß es aus den Regierungskreisen. Dänemark habe dies am Mittwochabend schon zugesagt.

Die Pläne gehen auf das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu am Montag in Ankara zurück. Die Türkei ist wichtigster Zufluchtsort und auch wichtigstes Transitland für Flüchtlinge aus Syrien. Beim Versuch, von dort nach Griechenland zu kommen, ertranken seit Beginn des Jahres mehr als 340 Menschen - einen legalen und damit sichereren Weg für Flüchtlinge in die EU gibt es praktisch nicht mehr. Agenturen/nd

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