Bildungsrauschen

Nur für die Elite?

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Stipendienprogramme für Geflüchtete bleiben nach wie vor wenig ambitioniert. 2014 forderten 200 Professoren in ihrem Aufruf »Aktiver Flüchtlingsschutz und langfristige Hilfe beim Wiederaufbau« Stipendien für syrische Geflüchtete nach humanitären Gesichtspunkten (fluechtlingsstipendien.de). Sie reagierten damit auf das angekündigte Programm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), »Leadership for Syria«, das 2015 mit einem Umfang von circa drei Millionen Euro jährlich starten sollte und von dem bis zu 100 Studierende profitieren sollten. Ferner plante man die Anzahl regulärer Stipendien für nach Deutschland geflüchtete Syrer zu verdoppeln (auswaertiges-amt.de).

Grundsätzlich begrüßten die Initiatoren des Aufrufs das DAAD-Programm, kritisierten aber dessen fehlende humanitäre Ausrichtung. Der Titel »Leadership for Syria« betone »lediglich das Ziel der Herausbildung einer künftigen Führungselite«.

Ebenfalls 2014 hat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR, unhcr.de) an die Bundesregierung und die akademische Gemeinschaft in Deutschland appelliert, ein Stipendienprogramm für syrische Geflüchtete einzurichten. Vorbild könne, so der UNHCR, ein Programm sein, das die USA aufgelegt hatten (refugeecampus.org).

Mit wachsenden Flüchtlingszahlen ist auch die Nachfrage nach Studienprogrammen für Ausländer gestiegen. Das seit 1992 laufende umfangreichste Programm, die »Deutsche Akademische Flüchtlingsinitiative Albert Einstein« (DAFI), wird inzwischen so stark nachgefragt, dass es seit geraumer Zeit von der Stiftung der UNO-Flüchtlingshilfe (uno-fluechtlingshilfe.de) unterstützt wird. Dieses komplexe Programm beteiligt sich neben der höheren Bildung und Ausbildung hochqualifizierter Fachkräfte am »Wiederaufbau konfliktgeschädigter Länder«. Vor allem Studierende aus Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo, Somalia, Burundi, Sudan und Eritrea profitierten davon.

Dass man dabei in erster Linie die Elite im Auge hat, zeigt das Zitat der DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel auf br.de vom Januar 2016. »Mit dem Programm wird eine nach fachlichen Kriterien ausgewählte Elite des zukünftigen syrischen Führungspersonals mit einem Studien- oder Forschungsaufenthalt in Deutschland auf die Aufgabe vorbereitet, das künftige Syrien mitzugestalten.« Dementsprechend erhielten von den 5000 Bewerbern für das Wintersemester 2015/16 nur 271 ein Stipendium.

Parallel zu den offiziellen Strukturen entstand 2000 das von Universitäten getragene Netzwerk »Scholars at Risk« (scholarsatrisk.nyu.edu) mit dem Ziel, die Freiheit der Wissenschaft zu verteidigen und bedrohte Wissenschaftler und Universitäten zu unterstützen. Eines der Projekte ist »Scholars in Prison«, das gefangene Wissenschaftler registriert und die Verfolgung von Akademikern öffentlich macht. Ausgehend von den USA hat sich das Netzwerk über die Jahre ausgebreitet, seit circa 2008 auch auf Europa, den Mittleren Osten und Afrika. In Deutschland beteiligt sich unter anderem die Freie Universität Berlin an dem Projekt. Lena Tietgen

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