Frauenversteher und Friedensstifter

Offenbachs selbsternannter Hofnarr »Fantasio« betört das Publikum der Komischen Oper

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Geschichte des Stücks hat selbst das Zeug zum Opernstoff. Jacques Offenbachs »Fantasio« wurde wegen des Deutsch-Französischen Krieges verspätet uraufgeführt. Das Orchestermaterial ging 1887 beim Brand der Pariser Opéra-Comique in Flammen auf; auch das ursprüngliche Libretto ist verschollen. Die handschriftlichen Partituren wurden von der zerstrittenen Erbengemeinschaft zerstückelt und in alle Welt verhökert.

Aus diesen Einzelteilen hat der Musikwissenschaftler Jean-Christophe Keck in den Neunzigern den »Fantasio« der Pariser Uraufführung von 1872 rekonstruiert. Die Komische Oper, an der gerade ein Offenbach-Festival läuft, brachte das Stück am Samstag konzertant aufs Podium.

Offenbachs »Fantasio« spielt in München. Es geht um die anstehende Hochzeit der Prinzessin von Bayern mit dem von ihr ungeliebten Prinzen von Mantua. Fantasio, ein Student, verkleidet sich als der soeben verstorbene Hofnarr, um sich der angebeteten Prinzessin zu nähern. Der Prinz von Mantua wiederum wechselt die Kleider mit seinem Adjutanten, um die Prinzessin inkognito in Augenschein zu nehmen.

Eine eher lahme Verwechslungsstory also, die dem Komponisten wenig Gelegenheit bietet, seine Markenzeichen - Ironie und Satire - auszufahren. Doch das ist angesichts der musikalischen Qualitäten des Stücks zu verschmerzen.

Die kammermusikalisch filigran instrumentierte Partitur besticht mit schwärmerischen Liebesduetten, feinsinnigen Walzern, parodistisch eingefärbten Märschen und turbulenten Ensemble-Szenen. Am Pult sorgt Titus Engel für einen leichten, durchsichtigen, federnden Klang sowie für die rechte Balance zwischen Orchester und dem fabelhaft nuanciert singenden Chor.

Gesungen wird auf Französisch. Als Sprecher führt Dominique Horwitz mit viel Temperament und Ganzkörpereinsatz durch die Handlung. Doch bleibt die Frage, warum die Komische Oper sich nicht auf ihre Tradition deutschsprachiger Aufführungen besinnt. Das deutsche Libretto der Wiener Premiere, die Offenbach persönlich leitete, blieb nämlich erhalten.

Die Geschichte der verschiedenen Fassungen des Stücks ist ansonsten verwickelt. Im Sommer 1870, als Offenbach mitten in den Proben zu »Fantasio« steckte, begann der Deutsch-Französische Krieg. Da der Tenor, der die Titelpartie singen sollte, wegen des Krieges aus Paris flüchtete, machte der Komponist für die Uraufführung 1872 den Fantasio zu einer Hosenrolle für Mezzosopran. Später schuf er noch eine Sopranfassung.

Dass die Oper damals keinen Erfolg hatte, lag nicht zuletzt am pazifistischen Schlussschwenk: Fantasio überzeugt das Volk davon, dass sich die Herrscher persönlich im Zweikampf prügeln sollten, statt ihre Heere einzuberufen. Beim Pariser Publikum, das nach der Niederlage gegen die Deutschen auf Rache sann, kam das nicht gut an.

An der Komischen Oper geht die Urfassung für Tenor über die Bühne. Die Titelpartie singt Tansel Akzeybek, ein Berliner, der übrigens als erster türkischstämmiger Sänger in Bayreuth debütierte. Akzeybek ist ein lyrischer Tenor erster Güte, mit seidenweichem Klang und geschmeidiger Höhe, der den süßen Liebesüberschwang glaubhaft und unsentimental darzustellen vermag.

Prinzessin Elsbeth wirkt in der Interpretation der glanzvoll und koloratursicher singenden Adela Zaharia eher wie eine kapriziöse Diva. Ein herrlich selbstverliebtes Gespann bilden der Prinz von Mantua (Dominik Königer) und sein Adjudant (Adrian Strooper), der im imitierenden Fugato vor seinem Herrn katzbuckelt. Unter den Nebenrollen fällt in der Studentenclique der kraftvolle Bariton von Nikola Ivanov auf.

Nächste Aufführung: 16.2., 18.30 Uhr; Komische Oper, Behrenstraße 55-57, Mitte. Mitschnitt im Deutschlandradio Kultur am 12. März.

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