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Testlauf für ein Leben ohne eigenen Pkw

Die Aktion Autofasten will zum Umsteigen auf Fahrrad, Bus und Bahn anregen - ein Bericht aus dem Südwesten

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.
1998 hatten die Kirchen erstmals jene besondere Fastenaktion initiiert: das Autofasten. Inzwischen beteiligen sich zum Beispiel auch Verkehrsunternehmen daran.

In der Fastenzeit wollen nicht wenige Menschen nicht nur aus religiösen Gründen bis Ostern auf alkoholische Getränke und üppige Speisen verzichten oder gar mit gezieltem Fasten ihr Gewicht reduzieren. Es gibt auch umweltbewusste Menschen, die einen Monat lang das Auto meiden und unter Beweis stellen wollen, dass sie ihre Wege auch mit Bahn, Bus und Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen können. Ein derartiges freiwilliges Autofasten hat inzwischen im ganzen deutschsprachigen Raum Unterstützer gefunden. Den Startschuss für die diesjährige regionale Kampagne im Südwesten gaben Akteure am Aschermittwoch in Mainz.

Auch in diesem Jahr haben sich wieder Kirchen, Verkehrsverbünde, Verkehrsunternehmen, Umwelt- und Fahrradverbände aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Hessen und Luxemburg zur Aktion Autofasten zusammengeschlossen. Sie soll offiziell vom 21. Februar bis 20. März dauern soll. Die Kirchen hatten diese besondere Fastenaktion erstmals 1998 initiiert und im Jahr 2015 knapp 2000 Teilnehmer registriert. Wer sich verbindlich anmeldet, kann per Verlosung wieder Sachpreise, Vergünstigungen und Freifahrscheine von Verkehrsverbünden gewinnen. Aus kirchlicher Sicht ist das Autofasten eine Möglichkeit, »Schöpfungsverantwortung bewusst zu leben«, die »Beziehung zu Gott und den Mitmenschen zu überdenken« sowie »eigene Verhaltensweisen zu verändern und in diesem Sinne neu in Bewegung zu kommen«.

Einer Studie über den beteiligten Personenkreis zufolge spricht die Aktion vor allem Angestellte und Beamte mit Hochschulabschluss an. Sie interessieren sich für ökologische Zusammenhänge und stehen dem Zeitgeist, den Kirchen und nicht zuletzt ihren eigenen Gewohnheiten kritisch gegenüber.

Man wolle nicht »das Autofahren verteufeln«, betonen die Organisatoren. Vielmehr gehe es »um einen sinnvollen Umgang mit Mobilität«, die auch das Auto einschließen könne. Auch wenn vier Wochen nur »ein Tropfen auf den heißen Stein« seien, könne die Aktion »eine Art Testlauf« für eine Konzentration auf andere Fortbewegungsarten sein. Langjährigen Untersuchungen zufolge hätten etliche Teilnehmer tatsächlich ihr Verhalten geändert - etwa durch Abschaffung des Zweit- oder Drittwagens und/oder den Umstieg auf Fahrrad, Bus und Bahn. »Man muss kein ›Öko‹ sein, um eine hohe Sensibilität für Umweltfragen zu haben«, heißt es in der Argumentationshilfe.

Dass ein freiwilliger Verzicht auf einen motorisierten Untersatz aber auch bessere öffentliche Verkehrsangebote erfordert, wissen auch die Initiatoren. »Wichtig bleibt, im Blick auf den ländlichen Raum den politischen Druck zu erhöhen, damit dort gleichwertige Mobilitätsangebote ausgebaut werden«, heißt es auf www.autofasten.de. Ein Blick auf die Verkehrsverbünde im Südwesten zeigt den Handlungsbedarf: So kostet etwa ein Einzelfahrschein von Mainz nach Bad Kreuznach stolze 9,20 Euro und von Mainz oder Wiesbaden nach Frankfurt am Main 8,25 Euro. Wer hingegen mit der Berliner S-Bahn die vergleichbare 40-Kilometer-Strecke von Wannsee nach Ahrensfelde zurücklegt, zahlt nur 2,70 Euro. Viele Dörfer sind kaum an das Busnetz angebunden, Bahnreisende klagen seit der Übernahme durch die Privatbahn VLEXX über Zugausfälle, Verspätungen und schlechte Information.

Das Flächen- und Pendlerland Rheinland-Pfalz, so beklagt Hermann Stauffer von der Linkspartei, habe im Bundesvergleich die älteste Busflotte und mit der Stilllegung von Bahnstrecken über Jahrzehnte den öffentlichen Verkehr geschwächt. Langfristige Fehlentscheidungen müssten rückgängig gemacht werden. So fordert die LINKE einen ticketlosen öffentlichen Nahverkehr als infrastrukturelle Grundversorgung, der sich aus Steuermitteln, einer Abgabe der Wirtschaft und einem Haushaltszuschuss des Landes finanziert.

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