Indien streitet über billiges Smartphone

Wie ist ein Mobiltelefon zum Preis für drei Euro möglich? / Verkauf des Gerätes hat am Donnerstag begonnen / Konkurrenz spricht von »staatlichen Subventionen«

  • Frederic Spohr
  • Lesedauer: 3 Min.
Das seit Donnerstag für rund drei Euro bestellbare indische Smartphone Freedom 251 führt zu Unruhe auf dem stark wachsenden indischen Markt. Konkurrenten befürchten Wettbewerbsnachteile, der Hersteller weist Vorwürfe zurück. Es steht viel auf dem Spiel.

Bangkok. Dem Hersteller Ringing Bells wurde schnell klar, wie heiß erwünscht sein neues Smartphone ist. Schon kurz nach den ersten Nachrichten über das für 3 Euro erhältliche Freedom 251 versammelte sich eine Menschenmenge um das Büro der Firma im indischen Noida. Doch sie wurden vertröstet: Das Gerät kann nur online geordert werden, am Donnerstag begann der Verkauf. Sicherheitshalber umstellte die Polizei das Gebäude – falls sich Frust entladen sollte.

Das Unternehmen hat große Erwartungen geschürt: Das Gerät werde die Bürger selbst in den abgelegensten Regionen Indiens endlich emanzipieren. Die Firma trage dazu bei, die Chancengleichheit in Indien zu erhöhen – und zwar mit »der allerneuesten Technologie«. Das Gerät ist tatsächlich nicht ohne: Für den Preis eines Kaffees bei Starbucks bekommen die Kunden immerhin acht Gigabyte Speicherplatz, einen Vierkernprozessor mit 1,3 Gigahertz sowie ein vier Zoll großes Display. Erste Tester berichten, dass der Gesamteindruck eher dem eines Smartphones zum Preis von rund 50 Euro entspricht.

Doch das scheint manchem zu schön, um wahr zu sein. Der Verband der Indischen Smartphone-Industrie rechnet damit, dass ein solcher Preis nur über staatliche Subventionen möglich sei. Die Konkurrenten vermuten Wettbewerbsverzerrung - und fordern eine Überprüfung.

Der Hersteller gibt an, er würde sparen, indem er die Smartphones direkt in Indien produzieren würde. Angesichts der riesigen Masse könnte er zudem die Teile im Großhandel äußerst billig einkaufen. Auch der ausschließliche Online-Vertrieb würde Kosten einsparen. Von Subventionen will das Unternehmen nichts wissen. Stattdessen spricht es von einer »Revolution« in der Art, wie Handys produziert und angeboten werden. Ringing Bells habe außerdem von der staatlichen Unterstützung im Rahmen der »Make in India«-Kampagne profitiert, mit dem Regierungschef Narendra Modi Indien als Produktionsstandort etablieren will. Die stünden aber allen Unternehmen offen.

Der Verband der indischen Smartphone-Industrie hält diese Argumentation für unglaubwürdig. »Allein das Material für ein solches Produkt würde im Großhandel mindestens 2700 Rupien (35 Euro/39 Franken) kosten. Insgesamt kann man ein solches Produkt nicht für weniger als 4100 Rupien verkaufen«, heißt es in einem Brief des Verbandes an die Regierung.

Für die indische Smartphone-Industrie steht damit viel auf dem Spiel. Denn der Markt bietet derzeit riesiges Potential: 2015 hat Indien die USA überholt und ist jetzt hinter China der weltweit größte Smartphone-Markt. Dabei haben erst etwa 200 Millionen der 1,2 Milliarden Inder überhaupt ein Smartphone. Angesichts der immer noch bescheidenen Einkommen sind die Zuwachsraten im unteren Preissegment am größten. Bisher produzieren für diesen Bereich hauptsächlich Chinesen und einige äußerst erfolgreiche heimische Marken, wie beispielsweise Micromax. Doch sollte Ringing Bells tatsächlich pünktlich ausliefern, wäre der Bedarf bald abgedeckt. Einige Inder twitterten bereits, sie hätten gleich mehrere Modelle bestellt – kurz darauf brach der Server von Ringing Bells zusammen.

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