Die Realitäten der Mobilfunkwelt

Bei der Branchenmesse in Barcelona hoffen Smartphone-Hersteller auf einen neuen Boom

Ist die Smartphone-Technik weitgehend ausgereizt und am Ende entscheidet der niedrigste Preis? Kooperationen mit Branchenfremden sollen den Ausweg weisen. Die Wachstumsmusik spielt derweil längst auf außereuropäischen Märkten

Ein unscheinbarer kleiner Mann mit motivlosem T-Shirt, Jeans und Turnschuhen geht an den Journalisten vorbei, die gerade die Präsentation des neuen Samsung-Smartphones Galaxy S7 verfolgen und mit Headsets der Virtuellen Realität (VR) beschäftigt sind. Erst als Mark Zuckerberg die Tribüne betritt, ist ihm die Aufmerksamkeit sicher: Der milliardenschwere Chef des Internetgiganten Facebook wirbt für das, was das neue große Ding der Mobilfunkwelt werden soll: »Virtual Reality ist in der Zukunft die sozialste Plattform«, predigt er ins Mikro. Natürlich fühlt sich sein Unternehmen »verpflichtet, die beste VR-Erfahrung der Welt zu schaffen«, sagte er am Sonntagabend kurz vor Beginn des »Mobile World Congress« in Barcelona. Die wichtigste Branchenmesse läuft bis Donnerstag.

Die Journalisten haben sich bereits ein Facebook-Produkt um das Gesicht geschnallt: Der Konzern kaufte vor zwei Jahren für rund zwei Milliarden Dollar Oculus VR - die Firma aus dem Silicon Valley stellt Elektronikheadsets her. Die VR-Brille soll den Eindruck eines riesigen Bildschirms vermitteln, der User taucht förmlich in eine künstliche Wirklichkeit ein und muss Filme oder Elektronikspiele nicht auf dem Mini-Bildschirm des Smartphones erahnen. Für Zuckerbergs Facebook ist das interessant, weil in den Social Media zunehmend Fotos und Privatfilmchen dominieren.

Samsung und Oculus haben zwar früher schon zusammengearbeitet - die Kooperation wird nun aber ausgeweitet. Wer vor dem Marktstart ein neues Smartphone des koreanischen Unternehmens vorbestellt, bekommt eine Oculus-Brille dazu. Das scheint auch nötig zu sein, denn wie es heißt, verkauft sich die VR-Gerätschaft nicht gut. Die bekannten Smartphone-Größen brauchen derweil wegen des schärferen Wettbewerbs einen Schub. Das neue Samsung Galaxy hat zwar einen leistungsstärkeren Prozessor und eine bessere Kamera, kann zudem mit in die Badewanne genommen werden, doch das war’s auch schon. Ähnlich sieht es bei LG und Huawei aus, auch Apple schwört sich auf VR ein. Zudem suchen die Konzerne neue Geschäfte in anderen Branchen: Samsung will seinen Bezahldienst bei vernetzten Autos etablieren, Huawei mit einem Windows-Tablet PC-Hersteller herausfordern.

Die Wachstumsmusik bei Smartphones spielt derweil längst auf den Märkten der Schwellen- und Entwicklungsländer. Dort werden vor allem Billiggeräte nachgefragt, wie sie chinesische oder einheimische Hersteller anbieten. Trotz hoher Verkaufszahlen sind die Gewinne aber gering. Beim indischen Billigstsmartphone »Freedom 251«, das umgerechnet drei Euro kostet, meinen Konkurrenten, dies sei nur mit Subventionen möglich.

Nach dem Staat rufen indes auch die Mobilfunkbetreiber. Investitionen in neue Netze und bessere Bedingungen, damit Geld zu verdienen, fordern sie in Barcelona. Vor allem wollen sie an den Erlösen von Onlinefirmen wie Facebook oder Google beteiligt werden. Kritisch beäugen sie zudem Internet.org - das Facebook-Projekt soll billiges Internet in entlegene Gegenden bringen, zum Wohle der eigenen Dienste, versteht sich.

Ob die Virtuelle Realität den Smartphonefirmen wirkliche Gewinne bringen wird, bleibt abzuwarten. In einer anderen Elektroniksparte galten jahrelang die 3D-Fernseher als das neue Ding. Zuletzt kündigten alle Marktführer, darunter Samsung, an, aus der Nischentechnologie auszusteigen - unter anderem war den Nutzern der Umgang mit den Brillen dann doch zu umständlich.

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