Kleine Kröten in Zürich

Vor der Präsidentenwahl muss der FIFA-Kongress einem Reformpaket zustimmen. Viel ändern wird es wohl nicht

Was kommt nach der Zeit von Joseph Blatter bei der FIFA? Ein neuer Präsident, der am Freitag gewählt wird. Und Reformen sollen kommen. Nach großer Veränderung sehen die Vorschläge aber nicht aus.

Am Freitag ist es so weit. Auf dem außerordentlichen Kongress des Fußballweltverbandes FIFA wird ein neuer Präsident gewählt. Auf der Tagesordnung ist das allerdings erst Punkt elf. Die größte mediale Beachtung erfährt die Wahl dennoch. Das liegt wohl vor allem an Joseph Blatter: Der Name des gesperrten Präsidenten steht für systematische Korruption im Weltfußball - und jetzt könnte die Ära des Schweizers nach 35 Jahren in entscheidenden Positionen bei der FIFA enden.

Schon am Mittwoch traf sich das Exekutivkomitee in Zürich. Nach dessen Sitzung hielt es der Interimspräsident des Weltverbandes Issa Hayatou aus Kamerun für dringlicher, der Öffentlichkeit folgendes mitzuteilen: »Die Verabschiedung der Reformen wird ein starkes Signal senden, dass wir zugehört haben und die nötigen Schritte zur Wiederherstellung des Vertrauens gehen werden.« Unter Tagesordnungspunkt acht geht es beim Kongress nämlich um die Reform der FIFA-Organisationsstruktur, die Abstimmung über die Vorschläge zur Änderung der FIFA-Statuten folgt gleich danach.

Hayatou versuchte aus mehreren Gründen, nicht die Wahl des neuen Präsidenten in den Vordergrund zu stellen. Einerseits genießt der eine oder andere der fünf Kandidaten nicht den allerbesten Ruf. Scheich Salman Al-Khalifa zum Beispiel: Als Mitglied des sunnitischen Herrscherhauses in Bahrain soll er 2011 dort eine entscheidende Rolle bei der blutigen Niederschlagung des Arabischen Frühlings gespielt haben. Menschenrechte werden in der Monarchie eher kleingeschrieben. Korruptionsvorwürfe wurden gegen ihn als Chef des asiatischen Fußballverbandes AFC laut: Trotz mehrfacher Aufforderung trennte sich Salman Al-Khalifa nicht von der World Sport Group, die für die Generalvermarktung des asiatischen Fußballs sehr viel Geld und, nach Aussagen angesehener Wirtschaftsprüfer, auch sehr viel Bestechungsgeld für den Deal bezahlt hat. José Hawilla, Chef der World Sport Group, ist nach den Ermittlungen des FBI einer der Hauptangeklagten in den USA - und soll in den Vernehmungen schon viel preisgegeben haben.

Einen weiteren, offenkundig zwielichtigen Präsidenten kann sich die FIFA jetzt gerade nicht leisten. Und einfach nur Joseph Blatter ersetzen, das geht auch nicht. »Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet«, sagte Issa Hayatou und erbat Zustimmung für das Reformpaket auf dem Kongress am Freitag: »Es ist entscheidend für die Zukunft der FIFA und des globalen Fußballs.« Übertrieben hat er mit letzterem. Der globale Fußball kann sich auch neu, anders und so vielleicht sogar besser organisieren. Recht hat Hayatou, was die Zukunft des Weltverbandes angeht. »Wir hoffen, dass der Reformprozess ernst gemeint ist«, hatte die US-Justizministerin Loretta Lynch auf dem Weltwirtschaftsforum Ende Januar in Davos gesagt. Sie ist gleichzeitig die Chefanklägerin in Sachen Korruption und FIFA. Mit den »Augen der Welt« meinte Hayatou vornehmlich wohl die USA. Aber auch die Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelt ernsthaft.

Über die Reformen dürfen am Freitag auf dem FIFA-Kongress im Zürcher Hallenstadion nur 207 der 209 Mitgliedsverbände abstimmen, das Exekutivkomitee hob die Suspendierung von Kuwait und Indonesien wegen staatlicher Einmischung in Belange des Fußballs nicht auf. Die notwendige Zustimmung zum Reformpaket von 75 Prozent ist nicht sicher, gilt aber als wahrscheinlich. Wirklich dicke Kröten müssen die Delegierten ja auch nicht schlucken.

Das Wichtigste vorweg: Die FIFA bleibt trotz Einnahmen in Milliardenhöhe weiterhin ein eingetragener Verein - alle Rechts- und Steuervorteile inklusive. Neu und gut sind hingegen die angedachten Amtszeitbegrenzungen für hochrangige Funktionäre wie den Präsidenten oder den Generalsekretär. Zwölf Jahre, also drei Perioden, sind aber auch nicht wenig. Der Transparenz soll die Veröffentlichung der Gehälter von Spitzenfunktionären dienen. Gut, das weiß man dann, hilft bei der Bekämpfung von Bestechung und Korruption aber nicht wirklich weiter. Politisch korrekt ist im Entwurf der neuen FIFA-Statuten für den Kongress zum Thema Menschenrechte formuliert: »Die FIFA bekennt sich zur Einhaltung aller international anerkannten Menschenrechte und setzt sich für den Schutz dieser Rechte ein.« Lippenbekenntnisse gab es schon zuvor genug, Joseph Blatter war ein Meister darin. Aber wird jetzt Katar 2022 die WM entzogen? Sicher nicht. Ganz modern verpasst sich der Weltverband auch eine Frauenquote, um die 30 Prozent sollen es irgendwann mal sein.

Von den Schlagworten Integrität und Gewaltenteilung erhofft sich die FIFA wohl die größte positive Außenwirkung. Das exklusive Exekutivkomitee wird zum FIFA-Rat. Jedes neue Mitglied muss einen Integritätscheck bestehen. Wie und was die dafür zuständige Kommission prüft und wie unabhängig sie ist, bleibt unklar. Und gewählt werden die Mitglieder weiterhin in ihren jeweiligen Konförderationen. Sie bleiben also Entsandte und sind keine FIFA-Angestellten. Das bedeutet, dass, wie in der Vergangenheit oft geschehen, im Falle von Bestechung, Korruption oder ähnlichem nicht der Weltverband sondern einzelne Personen die Schuld tragen. Die aktuellen Mitglieder in der Exekutive bleiben übrigens gemäß ihrer Amtslaufzeit dabei - und müssen sich dieser Kontrolle nicht unterziehen!

Der neue FIFA-Rat soll nicht mehr das operative Geschäft leiten, sondern »Strategie und Aufsichtsorgan« sein, wie es im Entwurf heißt. Und weiter: »Der Rat überträgt die Ausführung und die Erledigung von Geschäfts- oder Finanzaufgaben dem Generalsekretariat.« Der Generalsekretär wird formell der neue starke Mann sein. Denn das Amt des Präsidenten wird formell geschwächt. Er ernennt beispielsweise nicht mehr den Generalsekretär, schlägt aber als Rats-Mitglied weiterhin die aus seiner Sicht geeignete Person vor. Altes Exekutivkomitee oder neuer FIFA-Rat: Dieses Gremium bleibt weiterhin exklusiv, korruptionsanfällig und mächtig.

»Der Rat schlägt dem Kongress die Vorsitzenden, Vizevorsitzenden und Mitglieder der Disziplinarkommission, der Ethikkommission, der Berufungskommission, der Audit- und Compliance-Kommission und der Governance-Kommission zur Wahl vor«, steht im Entwurf, der als »FIFA-Zukunftsvision« verkauft wird. Der FIFA-Rat entscheidet über die Strategie, überwacht deren Umsetzung und kontrolliert die Kontrollorgane. Und der Präsident ist weiterhin mittendrin.

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