Grüner Lappen für Flüchtlinge

Als erstes Bundesland führt Berlin den Ankunftsnachweis für Asylsuchende ein

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch werden Neuankömmlinge in der Kruppstraße in Moabit registriert. Doch als Zwischenlösung wird das ICC vorbereitet, bevor es nach Tempelhof geht.

Er ist grün und trägt einen rosa Adler. Der Lappen ist zurück. Nur berechtigt er heute nicht zum Fahren - der Papierstreifen ist ab sofort das wichtigste Dokument für Flüchtlinge, die einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellen wollen. Gültig ist der neue Ankunftsnachweis - von Mitarbeitern des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) ANKUNA genannt, zunächst nur einen Monat.

Bereits seit September werden in Berlin neu ankommende Flüchtlinge in der Moabiter Kruppstraße unweit vom LAGeSo-Standort in der Turmstraße registriert. Jetzt wurde das Verfahren von unten bis oben durchstrukturiert. Den groben Ablauf stellte Sozialsenator Mario Czaja am Freitag bei einem Rundgang vor: Flüchtlinge, die ihren Weg in die Turmstraße finden, werden von dort abgeholt und mit einem Bus in die Kruppstraße gefahren. Sind sie dort fertig, werden sie in die Glockenturmstraße gefahren, wo sie die erste Nacht in einer von zwei Turnhallen schlafen können. Am nächsten Tag geht es an die Bundesallee, wo der zweite Teil der Registrierung erfolgt: Sie werden medizinisch untersucht und je nach Verteilschlüssel in andere Bundesländer verwiesen oder auf die Notunterkünfte verteilt. Wer will, kann noch am gleichen Tag beim BAMF an der Bundesallee einen Asylantrag stellen. Bis zur Entscheidung dauert es jedoch - zur Zeit durchschnittlich fünf Monate.

Hat man sich in Berlin an ein Verfahren zur Registrierung der Flüchtlinge gewöhnt, wird es schon wieder über den Haufen geworfen. Die Registrierungsstelle soll von der Kruppstraße in das neue Ankommenszentrum am Tempelhofer Feld umziehen, sobald es fertig wird. Doch seit der BER-Pleite traut sich in Berlin niemand mehr, Eröffnungsdaten zu nennen. Ein wahrscheinlicher Termin liegt irgendwann im Herbst.

Parallel wird auf dem Messegelände ICC eine Zwischenlösung vorbereitet. Wozu Geld dafür ausgeben, wenn Tempelhof in greifbarer Nähe liegt? »Wenn im Sommer die Hitzewelle kommt, sollen die Menschen in der kühlen Halle warten können«, sagt Sebastian Muschter, Interimspräsident des LAGeSo, der den Rundgang begleitet. Eine Wiederholung dessen, was sich im vergangenen Sommer vor dem Amt abspielte, dem damals noch Franz Allert vorstand, wollen alle vermeiden. »200 Menschen in der Hitze in den Zelten an der Turmstraße? Das geht nicht«, sagt Muschter.

Ähnliches sagt auch Senator Czaja: »Wir haben den Mitarbeitern und den Flüchtlingen Dinge zugemutet, die wir nicht für tragbar halten.« Das erste Mal seien im Juli 2014 1000 Flüchtlinge an einem Tag in Berlin angekommen. Das habe die geschätzten Zahlen weit überstiegen. Seitdem sei der Senat »viele große und viele kleine Schritte gegangen, um die Situation zu verbessern«.

Die neue Registrierungsstelle in der Kruppstraße gehört dazu. Hier arbeiten 15 Mitarbeiter des LAGeSo. Unterstützt werden sie von 25 bis 30 Polizisten, zehn Bundeswehrbeamten, vier Mitarbeitern anderer Verwaltungseinrichtungen, 15 von Zeitarbeitsfirmen und 29 Sprachmittlern.

Wer hier ankommt, wird von Polizisten in Empfang genommen, junge Menschen mit grünen LAGeSo-Westen stehen ihnen bei Bedarf als Sprachmittler zur Seite. Erst geht es ins weiße Zelt links neben dem Eingang, dann ins Gebäude. Drinnen werden die Flüchtlinge an Station eins fotografiert. An Station zwei werden ihre Fingerabdrücke genommen und geprüft, ob sie in polizeilichen Datenbanken registriert sind. Gleichzeitig wird versucht, doppelte Einträge beispielsweise durch unterschiedliche Schreibweisen des Namens (z.B. Mahmud oder Mahmoud) zu eliminieren. Wer seinen Ausweis nicht zeigen will, wird nach Identitätsnachweisen durchsucht. Ziel ist es, »Leistungsmissbrauch zu vermeiden«, sagt Czaja.

Noch sind die Gänge nur mäßig voll. Zur Zeit kommen lediglich etwa 70 Flüchtlinge pro Tag nach Berlin. Doch schon bald könnte sich das wieder ändern. Insgesamt rechnet die Senatsverwaltung mit rund 50 000 Flüchtlingen in diesem Jahr. Ob das reicht? Im vergangenen waren es noch 80 000 gewesen. 45 000 stellten einen Asylantrag.

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