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Berliner SPD bremst beim AfD-Verbot

Koalitionsdisziplin schlägt historische Verantwortung

Landesparteitag der SPD Berlin 2024
Landesparteitag der SPD Berlin 2024

In den sozialen Medien, auf ihren Parteitagen in Form von großen Reden mit Bezug auf die historische Verantwortung und auch in der bisherigen Parlamentsdiskussion lässt die SPD in der Regel keinen Zweifel aufkommen: Die AfD gehöre verboten. Im Berliner Abgeordnetenhaus zeigt sich jedoch: Das Bekenntnis allein trägt nicht weit.

So wurde am vergangenen Mittwoch im Ausschuss für Bundesangelegenheiten ein Antrag von Grünen und Linken abgestimmt, das Land Berlin solle sich für ein AfD-Verbotsverfahren einsetzen. AfD, CDU und SPD stimmten dagegen. Bezeichnend dabei ist die Szenerie um den Abgeordneten und stellvertretenden Landesvorsitzenden Mathias Schulz.

Per Handzeichen brachte er mit seinen Kolleg*innen die Ablehnung der Fraktion zum Antrag zum Ausdruck. Derweil klebte auf Schulz’ Notebook gut sichtbar gar ein Sticker mit dem Aufdruck »AfD-Verbot jetzt«. Dahinter steht eine Kampagne, die sich für ein rasches Verbot der Partei einsetzt. »Nicht länger zögern. Jetzt sollte das Verbotsverfahren auf den Weg gebracht werden«, meinte der Jurist im Mai, nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremistisch eingestuft hatte.

Der Fall steht eindrücklich für das Verhalten der Berliner Genoss*innen. Es wirkt wegen der Koalitionsdisziplin – die CDU will (noch) kein Verbotsverfahren – widersprüchlich.

»Wenn es so läuft, wie es jetzt in Berlin und auch im Bund läuft, dass sich die SPD dem Koalitionszwang unterwirft, um die CDU bloß nicht in die Bredouille zu bringen, dann muss der Bürger möglichst laut und zahlreich sprechen.«

Vertreter der Kampagne »AfD-Verbot jetzt«

Im Juni beschloss der SPD-Bundesparteitag, dass sich die Partei »auf allen Ebenen für die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht« einsetzen wird. Der Beschluss schlägt sich auch in den Reden der Sozialdemokrat*innen im Berliner Abgeordnetenhaus nieder. Nur wenige Tage später sagte der Abgeordnete Jan Lehmann im Verfassungsschutzausschuss: »Jetzt ist es an der Zeit, dass sich Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag zusammensetzen und den Antrag gemeinsam erarbeiten, und zwar in naher Zukunft.« Die gleichen Worte hatte er bereits benutzt, als er im Mai im Abgeordnetenhaus zu besagtem Antrag von Grünen und Linken sprach.

Am Ende stimmte die Fraktion auch in diesem Ausschuss dagegen. Lehmann hat am 2. Oktober mit allen SPD-Sprecher*innen des Bundes und der Länder die »Berliner Erklärung für die Demokratie« veröffentlicht. »Sie sieht vor, sofort ein Verbotsverfahren gegen die AfD vorzubereiten und systematisch alle relevanten Erkenntnisse über verfassungswidrige Bestrebungen zu sammeln«, schrieb Lehmann auf seiner Webseite.

Im Mai sprach sich der Berliner Landesvorstand für eine »Initiierung eines Parteiverbotsverfahrens« aus. Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht Köln die Einstufung der Bundes-AfD als rechtsextremistisch bestätigt, sei »eine umgehende Bundesratsinitiative vorzubereiten«, erklärte die Landesvorsitzende Nicola Böcker-Giannini. Weitere Berliner Parteiprominenz wie Fraktionschef Raed Saleh und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe sprach sich ebenfalls öffentlich für ein AfD-Verbot aus.

Der mit 116 000 Followern auf Instagram reichweitenstarke SPD-Abgeordnete Marcel Hopp aus Gropiusstadt postet jeden Tag einen Grund, warum die AfD seiner Meinung nach verboten werden sollte. 47 Tage lang. 47 Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU bräuchte es noch, so Hopp, um über den Bundestag einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen.

Anders aber als die Länder Bremen und Schleswig-Holstein, in denen bereits konkrete Schritte für ein mögliches Verbotsverfahren beschlossen wurden, bremst die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus einen ähnlichen Vorgang aus. Spätestens jetzt, wo der Ausschuss für Bundesangelegenheiten der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungsschutz gefolgt ist, ist auch von einer Ablehnung des Antrages von Grünen und Linken im Plenum auszugehen. Ein alternatives Vorhaben der SPD auf Landesebene ist nicht bekannt. Die Abgeordneten Schulz, Lehmann und Hopp ließen nd-Anfragen unbeantwortet.

»Wenn es so läuft, wie es jetzt in Berlin und auch im Bund läuft, dass sich die SPD dem Koalitionszwang unterwirft, um die CDU bloß nicht in die Bredouille zu bringen, dann muss der Bürger möglichst laut und zahlreich sprechen«, sagte ein Vertreter der Kampagne »AfD-Verbot jetzt« zu »nd«. Mit einer Petition wolle seine Lokalgruppe Druck auf den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und den Senat ausüben, damit diese sich wie eine »Koalition der Mutigen« verhalten und sich im Bundesrat für einen Verbotsantrag stark machen.

Vertreter anderer Bundesländer, etwa des Saarlands und Nordrhein-Westfalens, seien auf dem Weg zu einem Verbotsverfahren deutlich weiter vorangegangen. Dabei könnten die Stimmen Berlins im Bundesrat einen Unterschied machen. »Auf den Landesebenen sind wir einem Verbotsverfahren deutlich näher als im Bund«, erklärte der Vertreter von »AfD-Verbot jetzt«. »Berlin war schon einmal der Ort, an dem die Demokratie zerstört wurde. Sorgen Sie dafür, dass Berlin diesmal ein Ort ist, an dem die Demokratie geschützt ist«, heißt es in der Petition an die Landesregierung gerichtet.

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