Neue Modelle für Wohnungen
Marzahn-Hellersdorfer Stadtrat denkt auch an Verdichtung mit sogenannten 35-Geschossern
Das Blatt hat sich gewendet. Längst entstehen wieder neue Wohnquartiere, wo zwischen 2002 und 2007 in Marzahn-Hellersdorf rund 4700 Plattenbauwohnungen wegen starken Leerstands abgerissen wurden. Stadtentwicklungsstadtrat Christian Gräff (CDU) verdeutlicht die Entwicklung an konkreten Zahlen: Wurde vor vier Jahren noch der Bau von 500 neuen Wohnungen genehmigt, waren es 2015 bereits 1280. »Bis 2014 entstanden zu 90 Prozent Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser, vergangenes Jahr bezog sich dagegen schon die Hälfte der Genehmigungen auf den Geschosswohnungsbau«, sagt Gräff.
Das derzeit größte Projekt im Bezirk setzt die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land an der Bundesstraße 1/5 um. Auf dem alten Gut Biesdorf werden 450 Mietwohnungen gebaut.
»Wir sind auf dem richtigen Weg, müssen aber noch mehr Möglichkeiten ausschöpfen«, sagt Gräff. Schließlich wachse die Bevölkerung unerwartet stark. Die vom Senat für das Jahr 2020 prognostizierte Zahl habe Marzahn-Hellersdorf längst erreicht. So hatte der Bezirk zum 31. Dezember 2015 bereits knapp 260 000 Einwohner. Nach der neuesten Prognose leben bis 2030 dann am östlichen Stadtrand rund 15 Prozent mehr Marzahn-Hellersdorfer als zurzeit.
Auch wenn der Politiker die Aussichten für »sehr optimistisch« hält, ist klar: Sowohl das bezirkliche Infrastruktur- als auch das Wohnungsmarktentwicklungskonzept müssen dringend überarbeitet werden. Das soll bis zum Sommer passieren. Für Gräff steht fest, das bislang ausgemachte Flächenpotenzial für den Wohnungsneubau sei zu gering. Er könnte sich deshalb unter anderem auch die Errichtung von Hochhäusern vorstellen. »Natürlich nicht überall, sondern nur dort, wo auch das Umfeld passt«, sagt er.
So ein Bereich sei beispielsweise die ehemalige Allkauf-Fläche, Märkische Allee/Trusetaler Straße. Ein oder zwei 35-Geschosser wären dort denkbar. »Noch gibt es aber keine konkreten Pläne für das Gelände, sondern erste Gespräche«, sagt der Unionspolitiker.
Lange auch mit Anwohnern diskutiert wurde beispielsweise eine Verdichtung an der Eichhorster Straße. Die dort befindlichen Gebäude mit sechs Etagen sollen nun durch 13-Geschosser ergänzt werden. Stadtrat Gräff regt zudem an, die Unterbringung der Flüchtlinge zu überdenken. Denn fast alle der bisher für modulare Flüchtlingsunterkünfte (MUF) vorgesehenen Standorte sind Wohnungsbau-Potenzialflächen. Der Stadtrat schlägt vor, einen Modellversuch zu starten. So könnte auf einzelnen Flächen, die Wohnungsunternehmen bebauen wollen, gleich eine bestimmte Anzahl geförderter Wohnungen für Flüchtlinge festgeschrieben werden. Das wäre außerdem »sehr integrationsfördernd«, meint Gräff. In dieser Woche wolle er sich mit diesem Vorstoß brieflich an den Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) wenden.
Scharfe Kritik übt Gräff allerdings an der Wohnungspolitik des Senats. Er findet es falsch, dass landeseigene Wohnungsbaugesellschaften jetzt Bestände in den Marzahn-Hellersdorfer Großsiedlungen zurückkaufen, die sie in den 1990er Jahren veräußern mussten. Den Ankauf von Projekten Privater durch städtische Unternehmen hält er ebenso für den falschen Weg. Weil das aus seiner Sicht den Neubau nicht ankurbelt. »Sondern Kapital der Gesellschaften bindet und praktisch keine einzige Wohnung mehr bringt.« Gräff ist der Auffassung, allein durch die öffentliche Hand sei der Wohnungsneubau nicht zu bewältigen. Als Beispiel nennt er das Gut Hellersdorf. Das Areal soll von der Gesobau mit 700 Wohnungen bebaut werden. Aber noch ist nichts passiert. »Mit Privaten hätte der Bezirk das längst realisiert, wir entwickelten extra ein Konzeptverfahren«, erklärt der Stadtrat selbstbewusst.
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