Der Markt löst keine Probleme

Kurt Stenger über langes Arbeiten im Land der Arbeitslosen

»Gründen Sie einen Betrieb in Ostdeutschland (oder kaufen Sie einen bestehenden für eine D-Mark) und lassen Sie sich das mit allerlei Fördermitteln versüßen! Hier gibt es gegen geringes Entgelt gut ausgebildete Arbeitskräfte, die kaum gewerkschaftlich organisiert sind.« Genau so hat es zwar niemand gesagt, aber es war der Plan der herrschenden Politik und der Mainstream-Ökonomen, wie in der Wendezeit Investitionen in die neuen Bundesländer geholt werden sollten. Trotz der aus Kapitalsicht traumhaften Bedingungen blieb das Jobwunder aus - Massenarbeitslosigkeit wurde triste Dauerrealität. Da viel zu wenig investiert wurde, hätte nur die starke Verkürzung der Arbeitszeit deutlich mehr Menschen in Lohn und Brot bringen können. Das Gegenteil war der Fall: Wegen des riesigen Arbeitslosenheeres und der unfähig-untätigen Politik konnten die Unternehmen ihre Interessen leicht durchsetzen: zum Beispiel eine längere Arbeitszeit als im Westen für weniger Gehalt.

Die Zeit nach 1990 ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, dass der freie Markt ökonomische Probleme nicht lösen kann, sondern diese sogar noch verschärft. Und dass mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wende die Arbeitszeit im Osten immer noch länger ist als im Westen, ja die Kluft sogar wieder wächst, zeigt: Das Kapital dankt es nicht, wenn es vom Staat verhätschelt wird. Im Gegenteil, es wird süchtig nach den unsozialen Bedingungen.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.