Görlitzer Park: Fast 500 Strafverfahren

Bilanz nach einem Jahr gesetzlicher Ausnahmezone

  • Jutta Schütz und 
Andreas Rabenstein
  • Lesedauer: 3 Min.
10 oder 15 Gramm Marihuana zu haben, führt nicht zu einer Strafe. Beim Eigenbedarf weicher Drogen werden strafrechtliche Verfahren meist eingestellt. Für den Görlitzer Park gelten andere Regeln.

Ein Jahr nach der verschärften Regelung zum Drogenbesitz im Görlitzer Park in Kreuzberg hat die Justiz deutlich weniger Ermittlungsverfahren eingestellt als zuvor. Seit dem 31. März des vergangenen Jahres wurden nur 354 Verfahren, meist wegen des Besitzes von weichen Drogen wie Marihuana, eingestellt. Allein von Ende November 2014 bis Ende März 2015 waren es 622 Verfahren, die den Görlitzer Park betrafen, wie die Senatsjustizverwaltung mitteilte.

Derzeit laufen wegen Delikten mit Rauschgift im Görlitzer Park 486 Ermittlungsverfahren. Davon wurden 291 Verfahren wegen des Besitzes oder des Kaufs von Drogen eingeleitet, in den anderen Fällen wurde Anklage wegen Drogenhandels erhoben.

Vor einem Jahr trat für den Görlitzer Park nach Ankündigung von Innensenator Frank Henkel (CDU) eine Null-Toleranz-Strategie in Kraft, nach der auch kleinste Drogendelikte bestraft werden sollten. Zuvor wurde bei Cannabisbesitz bis zu zehn Gramm zwar zunächst ermittelt, aber keine Anklage erhoben. Bei bis zu 15 Gramm lag das im Ermessen der Staatsanwaltschaft.

Ob die gesunkenen Zahlen der eingestellten Verfahren eine direkte Folge der verschärften Regelung sind und auch zu mehr Anklagen führten, ist laut Justizverwaltung noch nicht klar. Die Einstellungen erfolgten »aus verschiedenen Gründen«. Einer davon ist, dass von Beschuldigten kein Aufenthaltsort ermittelt werden konnte.

Seit dem 1. April 2015 wurden laut Justizverwaltung aber 149 Täter verurteilt, davon wurden 35 Strafen zur Bewährung ausgesetzt. 47 Urteile wurden wegen Drogenhandels verhängt, 102 wegen Besitzes oder Kaufs. 25 Fälle wurden zwar angeklagt, dann aber eingestellt.

Im Kampf gegen den ausufernden Drogenhandel im Görlitzer Park und in den Nachbarstraßen hatte die Polizei zudem schon seit 2014 deutlich mehr Razzien und Kontrollen gestartet. Immer mehr Dealer und Käufer wurden in Kreuzberg gefasst.

Allerdings ist die Polizei weit von wirklich sichtbaren Erfolgen entfernt. Auch am Donnerstag standen wie an anderen Tagen wieder viele Gruppen von mutmaßlichen Dealern an den Eingängen und den Hauptwegen des Parks. Junge Touristen - und am Wochenende auch Besucher aus dem Umland - kommen weiterhin in den Park, um Marihuana und manchmal auch andere Drogen zu kaufen.

Angesichts der Polizeirazzien sind viele Dealer ausgewichen. Sie stehen entlang der U-Bahnlinie 1 vom Görlitzer Bahnhof bis nach Friedrichshain und zum RAW-Partygelände und bieten Drogen an. Auch auf der Treptower Seite des Parks bis fast zur Arena am Spreeufer hat sich die Dealerszene ausgebreitet.

Die Gesamtzahlen der ermittelten Drogendelikte waren in ganz Berlin in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Das ist kein direktes Zeichen für mehr Drogenhandel oder -konsum, sondern lag vor allem an den häufigeren Kontrollen. 2010 und 2011 waren es noch rund 11 000 Delikte, 2012 dann mehr als 12 800, im Folgejahr rund 13 500 Fälle und 2014 etwa 14 200. Im ersten Halbjahr 2015 lag die Zahl für ganz Berlin bei 8128 Delikten. Die Gesamtzahlen liegen noch nicht vor. dpa/nd

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