Leerstellen am Kneipentresen

MEINE SICHT

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 1 Min.

Zeige mir deine Eckkneipen, dann weiß ich, wer Du bist. Unter diesem Motto lassen sich Kieze und ihre Bewohner meist ohne viel Statistik ganz gut einschätzen. Noch bevor die Datensammler ihre Zahlenkolonnen ausgewertet hatten, sah man im Kreuzberger Wrangelkiez, wie der Hase läuft. Zunächst verschwanden die alten, meist weniger ehrwürdigen Kaschemmen. Die Wirte waren alt, die Umsätze sehr überschaubar und so führten selbst kleine Mieterhöhungen zum Aus.

In der Handvoll Bars und Kneipen, die von alten und neuen Bewohnern gleichermaßen geschätzt wurden, änderten sich nur unmerklich die Verhältnisse. Eines Abends fiel auf, dass der vor allem von Stammgästen frequentierte Tresen halb leer war, während sich an den Tischen die Gäste stapelten. Nach Monaten kam der eine oder andere vorbei und berichtete unter großem Bedauern, weggezogen zu sein - nach Treptow oder Neukölln, wo sich noch bezahlbare Wohnungen finden ließen. Das ist Jahre her.

Jetzt ist es einem gelungen, wieder in den Wrangelkiez zu ziehen. Er hatte jahrelang darauf hingearbeitet. Er staunte über die neuen Läden. »Craft Beer« gibt es in dem einen, »Deutsche Tapas« in dem anderen, gelobt von Fernsehmoderatorinnen. Das ist die neue Innenstadtleitkultur.

Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.

Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen

Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.