Revanche
Martin Kröger über die Kandidatur Müllers für den SPD-Landesvorsitz
Diese bittere Niederlage vom 9. Juni 2012 hat Michael Müller wohl nie vergessen. An jenem Samstag vor vier Jahren drängte eine von Jan Stöß und Raed Saleh geschmiedete Allianz der Delegierten den 51-jährigen Müller aus dem Amt des SPD-Landesvorsitzenden. Minutenlang saß Michael Müller an diesem Tag nach der verlorenen Abstimmung auf dem Podium im Neuköllner Estrel-Hotel, konsterniert und geschockt, so schien es. Im Gang daneben drängten sich derweil die Journalisten um den frisch gekürten Stöß. Kaum einer hätte damals gedacht, dass Michael Müller - der ewige Kronprinz Wowereits - eine parteipolitische Zukunft hat.
So sehr kann man sich täuschen: Jetzt nutzt Müller bereits zum zweiten Mal die Chance für eine Revanche. Bereits beim Mitgliederentscheid 2014, als es darum ging, wer Klaus Wowereit als Regierenden Bürgermeister folgen soll, ließ Müller seine Kontrahenten Stöß und Saleh weit hinter sich. Mit seiner Ankündigung, selber beim kommenden Parteitag für den Landesvorsitz zu kandidieren, geht Müller konsequent den nächsten Schritt, um die Schmach von einst zu tilgen. Die Chancen, dass er gewählt wird, stehen indes nicht schlecht. Aus Müllers Sicht macht es zudem Sinn, zwei der drei vorhandenen Machtpole in der SPD (Fraktionsvorsitz, Landesvorsitz und Regierender) auf seine Person zu vereinigen.
Für Stöß kann das eigentlich nur bedeuten, dass er seinen Rückzug erklären muss. Alles andere wäre eine Überraschung. Aber in der Berliner SPD sollte man nie etwas ausschließen - das zeigt nicht nur Müllers eigener Wiederaufstieg. Wer hätte denn schon gedacht, dass Müller mitten im Wahlkampf die parteiinterne Machtfrage klären will?
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