Flüchtlingsdeal bringt Türken Reisefreiheit

Regierungschef Davutoglu gibt Amt auf / EU-Kommission empfiehlt Aufhebung des Visa-Zwangs

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Türkei wird von der EU Visa-Freiheit angeboten, doch mit Premier Davutoglu muss ein Architekt des Erfolgs gehen.

Istanbul. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu gibt seine Ämter als Partei- und Regierungschef auf. Davutoglu kündigte am Donnerstag in Ankara einen Sonderparteitag der AKP in zweieinhalb Wochen an, bei der er nicht mehr für den Vorsitz der islamisch-konservativen Partei kandidieren werde. Das bedeutet auch, dass Davutoglu danach nicht mehr als Regierungschef weitermachen wird. Er werde seine Arbeit als Abgeordneter weiterführen, sagte er.

Davutoglu versuchte den Eindruck zu zerstreuen, sein Rücktritt sei auf einen Konflikt mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zurückzuführen. »Ich werde die Loyalitätsbeziehung zu unserem Präsidenten bis zu meinem letzten Atemzug weiterführen«, sagte Davutoglu. »Seine Familienehre ist meine Familienehre. Seine Familie ist meine Familie.« Davutoglu war Erdogan in seinen Ämtern als Partei- und Regierungschef gefolgt, als dieser im August 2014 zum Präsidenten gewählt wurde.

Türkische Medien hatten über eine wachsende Unzufriedenheit Erdogans mit einer zunehmend eigenmächtigen Partei- und Regierungspolitik Davutoglus berichtet. Für die EU und Bundeskanzlerin Angela Merkel war Davutoglu in der Flüchtlingskrise der Verhandlungspartner auf türkischer Seite. Davutoglu und Merkel gelten als Architekten des Flüchtlingspaktes.

Die EU-Kommission hatte am Mittwoch die Aufhebung des Visa-Zwangs bei Reisen in den Schengen-Raum bis spätestens Ende Juni empfohlen, wenn Ankara bis dahin noch fehlende Voraussetzungen erfüllt. Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans betonte, es werde »keinen Freifahrtschein« für Ankara in der Visa-Frage geben. Die Türkei müsse alle 72 Voraussetzungen erfüllen. Bei sieben ist das noch nicht der Fall.

Dabei geht es um Standards zu Korruptionsbekämpfung und Datenschutz, ein Kooperationsabkommen mit der EU-Polizeibehörde Europol, die Justizzusammenarbeit bei Strafsachen und eine Einschränkung des weiten türkischen Terrorismusbegriffs. Ein vereinbartes Rücknahmeabkommen tritt am 1. Juni in Kraft und wäre dann als Kriterium erfüllt.

Bei der siebten fehlenden Bedingung, der Einführung von biometrischen Pässen nach EU-Standards, gibt es eine Übergangszeit, die bis zum Jahresende geht. zunächst wird visafreies Reisen mit einer vorläufigen Version eines biometrischen Reisedokuments möglich sein. Auf ihm müssen ein Bild des Besitzers und seine Fingerabdrücke gespeichert sein.

Bei Aufhebung der Visa-Pflicht wären türkische Staatsbürger berechtigt, unbürokratisch in den aus 26 Staaten bestehenden Schengen-Raum einzureisen. Die Aufenthaltsdauer ist auf 90 Tage pro Halbjahr begrenzt. Die türkische Regierung hatte mehrfach gedroht, die Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland zu stoppen, sollte die EU die Visa-Freiheit auf die lange Bank schieben. dpa/nd

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