Ärztefunktionäre unter Druck

Gesundheitsministerium droht nach Skandalserie mit Zwangsverwaltung

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich durch eigenes Verschulden in eine missliche Lage manövriert. Deshalb hat Berlin ein Auge auf sie gerichtet.

Persönliche Bereicherung, Verdacht der Untreue, Millionenverluste bei dubiosen Immobiliengeschäften und beim Handel mit unsicheren Aktien, interne Machtkämpfen etwa zwischen Haus- und Facharztvertretern - jetzt soll endgültig Schluss mit den Eskapaden sein. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) musste auf ihrer Vertreterversammlung vergangenes Wochenende reinen Tisch machen. Am Montag sollen diverse Beschlüsse gefasst werden, die nicht nur weiteren finanziellen Schaden, sondern auch eine strenge Aufsicht durch das Bundesgesundheitsministerium abwenden sollen. Im Fall unzureichender Beschlüsse hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) im Vorfeld genau damit gedroht.

Während KBV-Chef Andreas Gassen vorab Gelassenheit bekundete, rumorte es in der Vertreterversammlung offensichtlich gehörig. Der Vorstand der Vereinigung signalisierte den Vertretern, dass es zu den ministeriellen Vorgaben keine Alternative gebe. Per Beschluss soll nun das Vorgehen in diversen Streitfällen geklärt werden, die alle in Unregelmäßigkeiten in der Vergangenheit wurzeln. So müssen Forderungen des früheren Vorstandes Andreas Köhler abgewehrt werden, die dessen Ruhestandsbezüge betreffen.

Bei dessen Rücktritt 2013 hatte der einstige Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bereits die Erhöhung von Köhlers Jahresbezügen auf 350 000 Euro abgewehrt. Damals schon gerieten die Ruhestandsansprüche von 270 000 Euro in die Kritik. Nun verlangt Gröhe von der KBV, nach rechtlicher Prüfung die entsprechenden Verträge zu bereinigen. Die Kassenärzte sollen sich außerdem auf dem Klagewege gegen die von Köhler im Jahr 2015 erhobenen Ansprüche wehren.

Bereits zu den Akten gelegt werden konnten die Vorgänge um einen von Köhler zu Unrecht beanspruchten Mietzuschuss in Höhe von insgesamt 90 000 Euro, den er zurückzahlen muss. Ebenso wurde die fristlose Kündigung von Köhlers Ehefrau als Leiterin des KBV-Dezernats Personal und Organisation für rechtens befunden. Sie hatte zuvor in dieser Funktion das Ruhegehalt ihres Mannes eigenmächtig zu hoch angesetzt.

Derartige familiäre Verquickungen schienen jedoch in der KBV normal zu sein. So geht es jetzt auch um Unterhaltszahlungen an die Ex-Frau des früheren Hauptgeschäftsführers Rainer Hess. Andreas Köhler hatte mit Hess Zahlungen in Höhe von 92 000 Euro an dessen geschiedene Frau vereinbart. Diese Summe soll die KBV jetzt wiederum von Köhler zurückfordern.

Bis Montag solle die KBV zudem ein Konzept zur Auflösung der APO KG, ihrer Immobiliengesellschaft, vorlegen. Das Gesundheitsministerium hält diese Konstruktion nicht für rechtskonform. Die APO KG war mit Hilfe der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) für den Zweck gegründet worden, in Berlin ein Bürogebäude zur Vermietung an die KBV zu errichten. Weitere Grundstücke und Neubauten kamen hinzu - unter anderem zur Vermietung an den Gemeinsamen Bundesausschuss.

Ein weiterer Neubau sollte als Basis für eine neue Kette medizinischer Versorgungszentren genutzt werden, geplant von mehreren Ärztefunktionäre als Privatpersonen. Jedoch geriet die APO KG in finanzielle Schwierigkeiten und wurde im Jahr 2010 mit einem Millionen-Defizit von der KBV fast vollständig übernommen. Die inzwischen angehäuften Haftungsrisiken sollen bei knapp 60 Millionen Euro liegen.

Die Häufung derartiger Unregelmäßigkeiten dürfte dazu beigetragen haben, dass die schwarz-rote Bundesregierung die gesetzliche Aufsicht über die Spitzenorganisationen der Kassenärzte, Krankenkassen und Apotheker verschärfen will. Das in der vergangenen Woche bekannt gewordene Eckpunktepapier aus dem Gesundheitsministerium umfasst etwa regelmäßige, verpflichtende Kontrollen von externen Wirtschaftsprüfern. Die Transparenzforderungen beziehen sich wohl auch auf Nebeneinkünfte der Funktionäre dieser Organisationen. Umgesetzt werden soll das sogenannte GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz nach den Plänen der Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode.

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