Welcome2stay: Mehr als Willkommen

Eine Konferenz in Leipzig vernetzt Flüchtlingshelfer und antikapitalistische Kräfte

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.
»Wie können Flüchtlinge konkret unterstützt und darüber hinaus auch die Gesellschaft verändert werden?« Diese und mehr Fragen sollen am kommenden Wochenende in Leipzig debattiert werden.

Es waren Bilder, die um die Welt gingen: Menschen, die auf Bahnhöfen Flüchtlinge willkommen heißen, die sie mit Essen und Trinken versorgen, die für ihre Rechte und gegen Rassismus auf die Straße gehen. Dahinter steckten Einzelpersonen, oft aber auch Gruppen, die - auf ganz unterschiedliche Art und Weise - den Neuangekommenen einen sicheren Hafen bereiten wollten.

Nun wollen sich die verschiedenen Initiativen der Flüchtlingsbewegung zum ersten Mal auf einer großen, internationalen Konferenz treffen: auf der »Welcome 2 stay«-Konferenz am kommenden Wochenende in Leipzig. Der Name ist bewusst gewählt worden. Den Aktivisten geht es nicht nur um ein kurzfristiges willkommen heißen, sondern vor allem um eine nachhaltige Veränderung der Flüchtlingspolitik. Mit anderen Worten: den einzelnen konkreten Hilfsleistungen soll nun eine europaweite Vernetzung folgen mit dem Ziel, politisch handlungsfähiger zu werden. Vier Leitfragen stehen zur Debatte: Wie kann ein zweiter »Sommer der Migration« ermöglicht werden? Was bedeutetet Solidarität? Wie kann darüber hinaus die Gesellschaft verändert werden? Und: Welche Strukturen sind dafür notwendig?

Klingt nach einer Mammutaufgabe. Zumal das Netzwerk groß ist, die Teilnehmer der Konferenz aus ganz unterschiedlichen Gruppen kommen: von der Bundestagsfraktion der LINKEN, von großen Nichtregierungsorganisationen und Bündnissen wie Attac und der Interventionistischen Linken, aber auch von kleineren, lokalen Gruppierungen. »Ich glaube aber, dass sowieso nur die Leute kommen, die ohnehin schon zu den Aktivsten zählen«, sagt Mitinitiatorin Juliane Nagel (MdL DIE LINKE), die die Auftaktveranstaltung - »Das Jahrhundert der Migration« - leiten wird und ergänzt: »Die alte Kirchengängerin, die sich daheim für Flüchtlinge einsetzt, wird wohl eher nicht dabei sein.«

Interessant: Die Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen werden auf der Konferenz nicht vertreten sein. Nicht einmal einzelne Politiker des linken Spektrums beider Parteien, so wie dies bei anderen Konferenzen gleicher Stoßrichtung Usus ist. Tatsächlich sind »die SPD und Teile der Grünen eher unsere Gegner«, so Nagel, die damit unweigerlich an das Abstimmungsverhalten der Parteien zu den Asylrechtsverschärfungen im Bundestag und Bundesrat erinnert. So meinte auch die Leipziger Grünen-Abgeordnete Monika Lazar auf »nd«-Anfrage, dass sie »persönlich nie angefragt« wurde, an der Konferenz »Welcome 2 stay« teilzunehmen.

Andererseits werden zahlreiche Gruppen aus dem Ausland anreisen. So werden Vertreter von »Solidarity4all« aus Griechenland, vom »Refugee Protest Camp« Wien und von der internationalen Hilfs- und Menschenrechtsorganisation »Medico International« gemeinsam mit der LINKEN-Parteivorsitzenden Katja Kipping über folgende Fragen diskutieren: »In welcher Gesellschaft wollen wir leben?« Eine Fragestellung, die auch Juliane Nagel gefällt: Schließlich »müssen wir wegkommen vom separierten Denken und die Flüchtlingsfrage in das große Ganze einbetten«. Die Konferenz dürfte also durchaus kapitalismuskritische Züge tragen.

Dazu passt, dass Blockupy angekündigt hat, im Rahmen von »Welcome 2 stay« seine nächsten Aktionen vorzubereiten. »Lasst uns die politische Konfrontation suchen - für grenzübergreifende soziale Rechte eintreten, das Lager der Solidarität sichtbar machen und sowohl dem rechten Block, wie der technokratischen Mitte eine Absage erteilen«, schreibt das kapitalismuskritische Netzwerk auf seiner Internetseite. Konkret wird es um das erste Septemberwochenende gehen: Am 2. September will Blockupy »ein deutliches Zeichen am Arbeitsministerium in Berlin setzen«. Am Tag darauf wollen die Aktivisten dann »gegen die Grenzen, die rechte Hetze und die sozialen Bedingungen, die diese in ganz Europa hoffähig machen« vorgehen.

Wie diese Zeichen genau aussehen werden, das wird nicht nur auf der Konferenz in Leipzig diskutiert werden. Unzählige regionale und überregionale Zusammenkünfte sollen für eine eindrucksvolle Choreographie sorgen. Blockupy selbst wird sich am 10. Juli in Berlin treffen, um letzte Absprachen für die spätsommerlichen Aktionen zu treffen.

Eines kann jetzt schon resümiert werden: Die Vernetzung verschiedener linker Strukturen geht schrittweise voran - und die »Welcome 2 stay«-Konferenz dürfte ihren Beitrag dazu leisten.

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