Leider geil

Das Schloss Biesdorf wird zum Kulturzentrum

  • Christian Baron
  • Lesedauer: 3 Min.

Kein Wunder, dass Katja Aßmann strahlte wie hundert Tage Sonnenwetter: 475 Quadratmeter Ausstellungs- und 172 Quadratmeter Veranstaltungsfläche kann sie ab September als neue Direktorin des frisch sanierten Schlosses Biesdorf mit Kunst ausfüllen. Nach dreijähriger Bauzeit durfte die Presse am Donnerstag die Räumlichkeiten in Augenschein nehmen - und bekam auch die neue Chefin zu Gesicht.

Ihrer guten Laune entsprechend, kündigte sie Großes an: »Wir möchten hier einen ganz besonderen, einen neuen Kulturort für Berlin schaffen.« Sie habe sich, versicherte die 45-Jährige, genau mit der Geschichte des 1868 errichteten Hauses beschäftigt und verfolge das Ziel, traditionelle und zeitgenössische Kunst zu vereinen. In der am 9. September startenden ersten Exponatenschau komme das bereits im Titel zum Ausdruck: »Auftrag Landschaft«.

Das weckt sofort die Assoziation »Auftragskunst«, und genau so ist es auch beabsichtigt. 2017 geht im Bezirk Marzahn-Hellersdorf die Internationale Gartenausstellung über die Bühne, als deren Ergänzung sich »Auftrag Landschaft« verstehen soll. Welche DDR-Werke gezeigt und welche DDR-Künstler gewürdigt werden, das wollte Aßmann noch nicht verraten. »Wir vergessen jedenfalls nicht«, versicherte sie, »dass es nicht nur in der DDR Auftragskunst gab, sondern in diversen Wettbewerben bis heute gibt.« Von den zeitgenössischen Künstlern ließ sie sich die Namen Jeppe Hein, Martin Kaltwasser, Seraphina Lenz und Anna Rispoli entlocken. Künftig werde es pro Jahr zwei Ausstellungen geben, dazu Lesungen und Konzerte.

Aufgrund des Wetters etwas ermattet, aber darum längst nicht weniger eloquent als ihre Vorrednerin, trat anschließend Marzahn-Hellersdorfs Kultur-Bezirksstadträtin Juliane Witt (LINKE) vor das Publikum. Noch sind nicht alle Baumaßnahmen beendet. Um das spätklassizistische Gebäude herum versperren Gerüste den Weg, auch drinnen wird noch gehämmert und gebohrt. Gegen diesen Lärm musste Witt nun anreden. Eine der leichteren Übungen für die joviale Politikerin.

Obwohl eigentlich Aßmanns Vorstellung im Zentrum der Wiedereröffnung hätte stehen sollen, beanspruchte Witt gemeinsam mit dem Bauherrn Christoph Schmidt von der landeseigenen »Grün Berlin GmbH« die meiste Redezeit. Sicher nicht ganz freiwillig, denn die meisten der anwesenden Medienvertreter interessierten sich weniger für das künstlerische Konzept der neuen Direktorin als vielmehr für Zahlen und Finanzierungsfakten. Die waren eigentlich schnell abgehandelt: 10,35 Millionen Euro kostete der Umbau, den der Bezirk teilweise selbst finanzierte und partiell mit Geldern der EU und der Lotto-Stiftung realisierte. Aßmanns Budget von 400 000 Euro stellt die »Grün Berlin GmbH«.

Und doch löcherten gewissenhafte Lokalreporter die charismatische Stadträtin und den adretten Geschäftsmann mit kritischen Fragen. Dazwischen stand Aßmann etwas verloren und sah nunmehr aus wie hundert Tage Regenwetter. Sie ließ den Blick in die Nachbarräume schweifen. Wer die Zahlenjongleure dabei aus den Augen ließ, konnte ihrem sich wieder aufhellenden Gesicht deutlich ansehen, was sie in diesem Moment in etwa gedacht haben mag: »Eine runderneuerte Villa wird zum Kulturzentrum - mit mir als Boss. Wie geil ist das denn?!«

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