Erdogan droht der EU mit einem Referendum

Türkischer Präsident: »Wir könnten fragen, ob die Beitrittsgespräche fortgesetzt werden sollen oder nicht«

  • Lesedauer: 2 Min.
Die EU will ein neues Kapitel in den Verhandlungen mit der Türkei über einen Beitritt öffnen. Präsident Erdogan poltert dennoch. Und er bringt ein Referendum ins Spiel - nach britischem Vorbild.

Istanbul. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat die EU scharf angegriffen und ein Referendum über die Fortsetzung der Beitrittsgespräche seines Landes ins Spiel gebracht. Erdogan warf der EU nach Angaben der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwochabend in Istanbul vor, die Türkei im Beitrittsprozess hinzuhalten, weil sie ein mehrheitlich muslimisches Land sei.

Erdogan sprach zudem über die Möglichkeit einer Volksabstimmung nach dem Beispiel Großbritanniens, bei dem die Türken über eine Fortsetzung der Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union abstimmen könnten. »Wir könnten fragen, ob die Gespräche mit der Europäischen Union fortgesetzt werden sollen oder nicht«, sagte Erdogan.

Der türkische Präsident erhob zugleich schwere Anschuldigungen gegen die EU. Der Streit um das Flüchtlingsabkommen und die Visafreiheit für Türken habe gezeigt, dass die Europäer nicht vertrauenswürdig seien. »Ihr haltet eure Versprechen nicht. Eben das ist euer hässliches Gesicht. Weil Erdogan dieses hässliche Gesicht entlarvt, dreht ihr durch.« Deswegen sei die EU bestrebt, ihn »loszuwerden«.

Der Staatschef warf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor: »Du kennst das türkische Volk nicht.« Die Türken seien nicht auf EU-Visafreiheit oder das Rücknahmeabkommen angewiesen. »Ihr seid im Moment im wahrsten Sinne des Wortes hinter der Türkei her. Ihr denkt, wenn die Türkei ihre Türen öffnet und diese Flüchtlinge in Richtung Europa marschieren, was wird dann aus uns.« Kurz vor Erdogans Ansprache zum abendlichen Fastenbrechen hatte es aus der EU geheißen, am 30. Juni solle ein neuer Verhandlungsbereich mit dem Kandidatenland Türkei eröffnet werden. Dabei gehe es um das Kapitel 33, das Finanz- und Haushaltsbestimmungen regelt, berichtete ein EU-Diplomat in Brüssel. Damit löst die EU eine Zusage des Gipfels der Staats- und Regierungschefs von Mitte März ein, diesen Bereich bis Ende Juni zu öffnen.

Nach einer Übersicht der Kommission wird bisher in 14 Bereichen verhandelt. Die Türkei ist offiziell seit 1999 Kandidat für einen EU-Beitritt, seit 2005 wird darüber verhandelt. Die Beitrittsgespräche sind in 35 sogenannte Kapitel unterteilt.

Der Flüchtlingspakt führt zu Spannungen zwischen der EU und Ankara. Für die versprochene EU-Visafreiheit für türkische Staatsbürger fordert Brüssel das Erfüllen noch verbliebener Bedingungen. Ankara weigert sich, heimische Anti-Terror-Gesetze zu entschärfen - was aber zu den Bedingungen der Europäer gehört.

Während vor einigen Jahren eine klare Mehrheit der Türken für einen EU-Beitritt war, ist es inzwischen weniger als die Hälfte. Agenturen/nd

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