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Undichte Schutzkleidung

Siemens Wind Power muss in Dänemark erkrankter Ex-Beschäftigte entschädigen

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einer Serie von Erkrankungen muss Siemens in Dänemark erstmals Entschädigungen an früher Beschäftigte zahlen.

Siemens Wind Power wird gewöhnlich als industrielle Erfolgsgeschichte hingestellt. In der Windkraftsparte des Anlagenbauers und Elektronikkonzerns wurden in den vergangenen Jahren viele Arbeitsplätze geschaffen und mehr Exporteinnahmen erwirtschaftet. Weltweit ist Siemens Marktführer bei Anlagen auf dem Meer und die Nummer vier an Land.

Zu dem Ausbau des Geschäftsfeldes trug 2005 die Übernahme des dänischen Konkurrenten Bonus Energy bei. Dabei mit übernommen wurde der Einsatz von Chemikalien in der Produktion, wobei die Arbeitsschutzbekleidung der Beschäftigten offenbar unzureichend war. Die dänische Behörde für Berufskrankheiten hat in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 64 Fälle untersucht und zugunsten der Arbeitnehmer entschieden. In allen Fällen wurden die Beschäftigten demnach durch ihre Arbeit chronisch krank. Sie waren in der Produktion der Rotoren der Windräder beschäftigt. Hierbei werden Epoxidharz und Isocyanate gemischt, in Formen gegossen und verklebt. Während der Arbeit mit diesen giftigen Chemikalien muss Schutzbekleidung getragen werden. Diese war zwar vorhanden, aber offensichtlich unzureichend. »Das Zeug konnte den Schutzanzug durchdringen. Wenn wir diesen auszogen, hatten wir immer wieder Epoxidharz an Armen und Beinen«, gab Rene Tordrup Jensen, einer der erkrankten Arbeiter, zu Protokoll. Er und seine Kollegen bekamen Hautausschläge, viele auch Asthma.

Tordrup und zwei Mitstreiter begnügten sich nicht damit, die Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz der Behörde zu melden, sondern zogen mit finanzieller und juristischer Unterstützung durch ihre Gewerkschaft 3F vor Gericht. Die Richter kamen jetzt zu dem Schluss, dass Siemens Wind Power seinen Pflichten zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten nicht ausreichend nachgekommen ist, und verurteilten den Konzern zu Entschädigungszahlungen an die drei Kläger von rund einer Millionen Kronen (rund 135 000 Euro). Die Summen decken den Verdienstausfall nach Krankschreibung und könnten noch höher ausfallen, da die ärztliche Behandlung der Kläger noch nicht abgeschlossen ist.

Ihr Anwalt äußerte nach dem Urteilsspruch, dass dieser ganz sicher vielerorts genau studiert werden werde und weitere Klagen chancenreich seien. Nach Prozessende traten andere früher Beschäftigte an die Öffentlichkeit und verwiesen auf ähnliche Krankheitsverläufe. Eine von ihnen, Helle Østergaard, erklärte im dänischen Fernsehen, sie habe es bisher nicht für möglich gehalten, als Arbeitnehmer gegen einen so großen Konzern vor Gericht gewinnen zu können.

Ein Sprecher von Siemens Wind Power hatte im Vorfeld der Klage erklärt, dass selbstverständlich jeder Erkrankungsfall einer zu viel sei und der Konzern alles tue, um derartige Unfälle und Krankheiten künftig zu vermeiden. Man habe bereits entsprechende technische Maßnahmen ergriffen. So wurde die Zeit verlängert, in welcher das Betreten der Werkhalle verboten ist, nachdem Isocyanate geschäumt worden sind. Weitere Maßnahmen sind nach Ansicht von Siemens indes nicht notwendig. Dabei wurde während des Prozesses klar, dass weder die Arbeiter noch die Werkführer über ausreichend Wissen verfügten, wie mit den Chemikalien korrekt umzugehen ist und welche Belastung die Schutzanzüge aushalten konnten.

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