Vattenfall: »Ende Gelände« kritisiert »mieses Geschäft«

Aktionsbündnis: Schwedische Regierung habe Chance vergeben / Proteste haben Debatte um Braunkohle auf internationaler Ebene befeuert / Linkenpolitikerin: Langzeitfolgen für Anwohner und Umwelt

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Berlin. Nach der Zustimmung zum Verkauf von Vattenfalls Braunkohlesparte an den tschechischen Investor EPH hat das Aktionsbündnis »Ende Gelände« der rot-grünen schwedischen Regierung eine verpasste Chance und ein mieses Geschäft vorgeworfen. Mit der Entscheidung setze sich die rot-grüne Regierung über weltweite Proteste von Klimabewegung und namhaften Wissenschaftlern hinweg, so das Aktionsbündnis.

Zum 31. August 2016 solle der tschechische Energieversorger EPB und dessen Finanzpartner PPF die Braunkohleaktivitäten in Brandenburg und Sachsen übernehmen. Der Verkauf müsse noch von der EU-Kommission kartellrechtlich freigegeben werden, erklärte Vattenfall. Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte den geplanten Verkauf. »Vattenfalls schmutziges Braunkohlegeschäft feige weiterzureichen, ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse«, hieß es in einer Erklärung. Wenn die auf der Weltklimakonferenz von Paris vereinbarten Ziele erreicht werden sollten, müsse ein Großteil der Kohle im Boden bleiben. Greenpeace erklärte, die Bundesregierung dürfe dem Verkauf nicht tatenlos zusehen.

Bei »Ende Gelände« hieß es, »als Teil seiner Nachhaltigkeitsstrategie will der schwedische Staatskonzern Investitionen aus der fossilen Industrie abziehen und sich künftig auf erneuerbare Energien fokussieren«. Der neue Eigentümer EPH plane aber, das klimaschädliche Braunkohlegeschäft noch Jahrzehnte lang fortzuführen. »Die schwedische Regierung hatte es in der Hand, in der Lausitz den raschen und sozial gerechten Rückbau des Kohlereviers zu ermöglichen und damit rund eine Milliarde Tonnen CO2 zu vermeiden. Sie hat die Chance verpatzt«, sagte Hannah Eichberger von dem Bündnis »Deinvestieren« dürfe nicht heißen, »dass ein anderer Konzern das schmutzige Geschäft übernimmt«, so Dorothee Häußermann von »Ende Gelände«. Deinvestieren müsse heißen: »die Kohle im Boden lassen«.

Kritik kommt auch von der linken Klimapolitikerin Eva Bulling-Schröter. Sie sagte, die Entscheidung der schwedischen Regierung sei »ein schlechter Tag für die Region und den Klimaschutz. Stockholm schiebt den schwarzen Klimapeter und die Verantwortung für die Lausitz an Berlin ab. Desto mehr ist jetzt die Bundespolitik gefragt«. Zwar sichere der laufende Kohle-Abbaubetrieb Arbeit und Einkommen für tausende Menschen in der Region – er produziere »jedoch jeden Tag neue negative Langzeitfolgen für Anwohner und Umwelt. Die Beschlüsse des UN-Gipfels von Paris genauso wie die langfristigen Klimaschutzziele der Bundesregierung fordern ein Auslaufen der deutschen Kohleverstromung bis spätestens 2035. Nimmt man diese Ziele auch Ernst, muss man zügig politische Entscheidungen in diese Richtung einleiten. Dafür braucht es ein nationales Kohleausstiegsgesetz«, so die Bundestagsabgeordnete.

Bei der Aktion »Ende Gelände« hatten im Mai dieses Jahres rund 4.000 Menschen aus ganz Europa das Kraftwerk Schwarze Pumpe in der Lausitz blockiert. Auch in anderen europäischen Hauptstädten hatte es Aktionen gegeben. »Unsere Proteste haben eine heftige Debatte um den Vattenfall-Verkauf auf internationaler Ebene befeuert«, so Eichberger. »Miese Geschäfte wie diese gehen nicht mehr sang- und klanglos über die Bühne.«

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) übte harsche Kritik am Verkauf der Vattenfall-Braunkohlesparte an den tschechischen Energiekonzern EPH. Der Verkauf sei »sozial verantwortungslos und ökonomisch fragwürdig«, erklärte die DUH und forderte die Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen auf, beim Verkauf Bedingungen für einen sozialverträglichen Wandel in der Region zu stellen. Vattenfall habe jahrelang »Riesengewinne« mit der Lausitz-Braunkohle gemacht. Jetzt, wo der fossile Energieträger unrentabel werden, stehle sich das Unternehmen »aus der Verantwortung«. Der Deal sei »hochgradig unseriös und dient nur einem einzigen Ziel: Schadensbegrenzung für Vattenfall«, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Zudem gefährde Schweden mit seiner Entscheidung die Klimaschutzziele Deutschlands. Die stark geschädigte Lausitz müsse vielmehr rekultiviert werden, die Region Perspektiven für die Zukunft erhalten.

Vattenfall hatte am 18. April seinem Eigentümer, der schwedischen Regierung, den Verkauf der Betriebe in der Lausitz an den tschechischen Energiekonzern vorgeschlagen. Vattenfall ist zu 100 Prozent in Staatsbesitz und außer in Schweden auch in Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien und Finnland tätig. nd/Agenturen

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