An ihren Worten werdet ihr sie erkennen

Hinter der Spaltung der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg steckt auch die Frage nach dem Charakter der Rechtspartei

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.
Rechtskonservative parlamentarische Alternative oder Plattform einer außerparlamentarischen Revolution von Rechts? Die Verteidigung des Gezerres um die AfD-Fraktion im Südwesten offenbart mehr als einen Führungsstreit.

Die Spaltung der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, deren inhaltlicher Ursprung in den antisemitischen Äußerungen des Abgeordneten Wolfgang Gedeons liegt, der u. a. den Holocaust als »Zivilreligion des Westens« bezeichnete, offenbart nicht nur die persönlichen Gegensätze innerhalb der rechten Partei, die an personalisierten Konflikten festgemacht werden und oft auf innerparteiliche Machtfragen reduziert werden: Jörg Meuthen gegen Frauke Petry, Petry gegen Alexander Gauland. Hinter der zunächst formalen Frage, welche denn nun die »wahre« AfD-Fraktion im Landtag sei, steckt die viel tiefer gehende Frage, welchen Charakter die Partei nach Ansicht ihres Führungspersonals in Zukunft haben soll: Rechtskonservative, aber immer noch bürgerliche, parlamentarische und auf dem Boden der Verfassung agierende Alternative – oder Plattform einer außerparlamentarischen Revolution von Rechts?

Diese Frage ist in der Partei nicht entschieden, vielleicht kann diese Richtungsentscheidung innerhalb der bestehenden AfD auch gar nicht gefällt werden. Exemplarisch hierfür ist der derzeitige Umgang der Parteispitze mit Äußerungen prominenter Parteimitglieder. So hat Parteivize Alexander Gauland am Mittwochmorgen im Interview mit dem »Deutschlandfunk« die umstrittenen Äußerungen Gedeons kommentiert: Gefragt, ob die verbliebenen Mitglieder der AfD-Fraktion in Stuttgart, also jene, die nicht dem Kurs Jörg Meuthens folgten, Antisemiten seien, antwortet er: »Nein, das glaube ich nicht, dass sie Antisemiten sind. Bei Gedeon ist das klar, das sieht man an bestimmten Aussagen, die er macht. Von den anderen würde ich das niemals behaupten.« Ob aus parteitaktischen Gründen oder nicht, Gauland bezeichnet die Äußerungen Gedeons als antisemitisch – um klarzumachen, dass diese in der AfD keinen Platz hätten.

Rassismus und Antisemitismus haben in der AfD angeblich keinen Platz. Wenn dann doch derartige Äußerungen fallen oder gefunden wären, sind das Einzelfälle und da habe die Partei halt nicht genau genug hingeschaut und würde dann konsequent handeln – eine Verteidigungslinie, um die Partei für möglichst breite Wählerschichten aus dem bürgerlichen Lager wählbar zu halten. Und eine Verteidigung, die aus mindestens zwei Gründen zweifelhaft ist. Zum einen versucht Gauland damit, das Gezerre um die Fraktion kleiner zu reden, als es ist – denn das gesamte Ausschlussprocedere um Gedeon ist alles andere als konsequent und gradlinig zu nennen. Zum anderen enthält sie riesengroße Blindflecken: DLF-Moderatorin Christiane Kaess fragt Gauland direkt nach den Äußerungen eines noch prominenteren AfD-Politikers, dem Thüringer Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Wie müsse denn mit ihm umgegangen werden, wenn die AfD konsequent sei und es ernst meine mit der Beteuerung, Rassismus und Antisemitismus hätten in der Partei keinen Platz? Schließlich spreche der von der AfD als »Tatelite« gegenüber einer »durchgeknallten Pseudoelite«, die dominiert werde von »Maulhelden mit Untertanengeist« und das seien »Niedergangsgewinnler«. Laut Kaess sind dies alles Zitate und die Moderatorin fügt hinzu: »Das ist die Sprache der Nationalsozialisten und der SS.«

»Tatelite« als Sprache der SS? Das sieht Gauland nicht so, zuvor erklärt er noch, dass in diesen Zitaten Höckes »kein einziges rassistisches Wort gefallen ist«. Formal hat er damit recht, Höckes Worte vom »afrikanischen Ausbreitungstypus« wurden beispielsweise nicht erwähnt, und so sagt Gauland: »Björn Höcke ist alles andere als ein Rassist und alles andere als in irgendeiner Weise vom Nationalsozialismus beeinflusst. Ich kenne ihn gut und weiß, wie er denkt, und weiß, was er denkt, und von daher ist der Vorwurf völlig unhaltbar und unberechtigt.« Zu mehr lässt sich Gauland an diesem Mittwochmorgen nicht bewegen.

Die angesprochenen Zitate Höckes finden sich teilweise in einem Interview, dass auf der Website der Zeitung »Sezession« mit Datum vom 19. September 2015 zu finden ist. »Sezession« wird von Götz Kubitschek, eines bestens vernetzten Protagonisten der Neuen Rechten, herausgegeben. Im Dezember 2015 gratuliert Höcke via Facebook Wolfgang Gedeon ausdrücklich zu seiner Publikation: »Grundlagen einer neuen Politik - Über Nationalismus, Geopolitik, Identität und die Gefahr einer Notstandsdiktatur«. In diesem Post findet sich auch bemerkenswerte Sätze Höckes zum Charakter der AfD aus seiner Sicht: »Ich habe die AfD stets als letzte evolutionäre Chance für unser Land bezeichnet. Sie kann es nur bleiben, wenn sie – als eigentlich zutiefst bürgerliche Partei – über ihren Schatten springt: Sie muß in den nächsten Jahren als fundametaloppositionelle [im Original] Bewegungspartei den Widerstand gegen die Feinde des Gewordenen organisieren.«

Mit offen ausgeprochenem Rassismus und Antisemitismus hat die AfD-Führung ein Problem – mit Fundamentalopposition gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, formuliert im NS-Jargon und abzielend auf die Überwindung des Parlamentarismus in der Bundesrepublik Deutschland, offenbar weniger. Und auch nicht mit der zumindest naheliegenden Vermutung, durch den Einzug in Parlamente die finanzielle und organisatorische Machtbasis zu vergrößern. Die öffentliche Ächtung von offenem Rassismus und Antisemitismus wäre dann nichts anderes als ein taktisches Manöver, um weitere Mandate in den Parlamenten nicht zu gefährden.

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