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Integrationsbeauftragte gegen Integrationsgesetz

SPD-Politikerin Özoguz: Neuregelung hat schwere Mängel / Kritik auch von Pro Asyl: Sanktionen für Flüchtlinge verstoßen gegen Menschenwürde

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Organisation Pro Asyl übt scharfe Kritik am Integrationsgesetz, das an diesem Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden soll. Und selbst die Integrationsbeauftragte der Regierung Aydan Özoguz sieht schwere Mängel. »Die geplanten Sanktionen verstoßen gegen die Menschenwürde«, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der »Heilbronner Stimme«. Laut Grundgesetz sichere das Existenzminimum in Deutschland auch eine sogenannte soziokulturelle Teilhabe. Mit Sanktionen sei aber lediglich das physische Überleben gesichert, argumentierte Burkhardt.

Mit dem Gesetz verspricht die Koalition einen Ausbau der Integrationsangebote für Flüchtlinge. Auf der anderen Seite sind Leistungskürzungen für Asylbewerber vorgesehen, die nicht an verpflichtenden Kursen oder Arbeitsgelegenheiten teilnehmen. Dass wichtige Maßnahmen zum frühzeitigen Spracherwerb und zur beruflichen Förderung vielen Asylbewerbern vorenthalten blieben, trage zu einer Spaltung bei und erschwere die Integration, fügte Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt hinzu. Asylbewerber aus Afghanistan oder Somalia seien zunächst von Integrationskursen ausgeschlossen, dabei sei es unrealistisch, dass sie tatsächlich in ihre Heimatländer oder in ein Durchreiseland in der EU abgeschoben werden, beklagte er.

Nach Burkhardts Worten ist kein politischer Wille erkennbar, die Investitionen in Integrationsangebote auf ein sinnvolles Maß zu erhöhen »Seit Monaten laviert die Bundesregierung«, kritisierte er. Bei Sprachkursen oder dem sozialen Wohnungsbau müssten die Mittel massiv erhöht werden, um ein ausreichendes Angebot zu gewährleisten.

Die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) sieht derweil schwere Mängel an dem Integrationsgesetz, das der Bundestag am Donnerstag verabschieden soll. Das Gesetz drohe Migranten von Integration auszuschließen, warnte Özoguz in einem Interview mit den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. In dem Gesetzentwurf fehle die genaue Definition eines Kernbegriffs - nämlich der »guten Bleibeperspektive«, die »mittlerweile das entscheidende Kriterium beim Zugang zu Sprachkursen und Leistungen zur Ausbildungsförderung« sei, bemängelte die SPD-Politikerin. Der Entwurf sei unpräzise und nehme zu wenig Rücksicht auf die Einzelfälle, kritisierte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Es reiche nicht, bei der Bewilligung von Integrationskursen ausschließlich auf die Schutzquote von mindestens 50 Prozent bei Asylanträgen aus einem bestimmten Herkunftsstaat zu schauen.

Zusätzlich müsse die »individuelle Perspektive eines Menschen« beachtet werden, forderte sie. »Wie lange dauert schon das Asylverfahren? Was hat er oder sie bereits an Integrationsleistungen vollbracht, etwa in der Schule oder bei der Ausbildung?« Özoguz warnte: »Wir dürfen hier nicht sehenden Auges die Fehler der Vergangenheit wiederholen und Menschen von Integration ausschließen.«

Der Bundestag stimmt am Donnerstagabend über das von der schwarz-roten Bundesregierung vorgelegte Integrationsgesetz ab. Das Gesetz sieht für Flüchtlinge mit sicherer Bleibeperspektive unter anderem einen erleichterten Zugang zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt vor. Mit Sanktionen muss rechnen, wer einem Integrationskurs oft fernbleibt oder diesen abbricht.

Özoguz forderte in dem Interview ein bundesweites Angebot an Orientierungskursen für alle Asylbewerber - und zwar unabhängig vom Herkunftsland und dem Status ihres Asylverfahrens. »Asylbewerber aus Afghanistan zum Beispiel müssen über ein Jahr auf ihren Bescheid warten.« Die meisten könnten erst einen Integrationskurs machen, wenn sie anerkannt sind. Das sei »integrationspolitisch unsinnig und extrem kurzsichtig«, sagte Özoguz. »Wir verschleudern wertvolle Zeit.« Agenturen/nd

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