Das Original ist besser

Portugal zieht durch ein 2:0 gegen Wales nach 2004 zum zweiten Mal in ein EM-Finale ein

  • Matthias Koch, Lyon
  • Lesedauer: 4 Min.
Portugal feiert seinen Fußballstar. Cristiano Ronaldo führte sein Team endlich zu einem ungefährdeten Sieg und somit ins Endspiel. Kollege Gareth Bale und seine Waliser blicken auf eine starke EM zurück.

In der dritten Minute der Nachspielzeit gab es Freistoß für Portugal. Im ersten Halbfinale der EM gegen Wales spielte der aber keine Rolle mehr. Schon vor der Ausführung umarmten sich die Portugiesen Jose Fonte und Bruno Alves innig. Sie wussten, dass angesichts der sicheren 2:0-Führung nichts mehr schiefgehen konnte. Kurze Zeit später pfiff Schiedsrichter Jonas Eriksson die nach der Pause einseitige Partie in Lyon ab, und Portugal erreichte zum zweiten Mal nach 2004, als das Turnier im eigenen Land stattfand, das Endspiel einer EM.

»Wir mussten dafür kämpfen, haben aber immer an uns geglaubt. Es war ein langer Weg, auf dem wir auch keine guten Spiele abgeliefert haben«, sagte Portugals Kapitän Cristiano Ronaldo später. »Aber insgesamt war es eine gute Entwicklung, die hoffentlich ein glückliches Ende haben wird.« Für Portugal war es im sechsten Turnierspiel der erste reguläre Sieg nach 90 Minuten. Zuvor hatte es in der Vorrunde drei Unentschieden gegeben. In den K.o.-Spielen gegen Kroatien und Polen hatte es einer Verlängerung beziehungsweise eines Elfmeterschießens bedurft. Am Sonntag stehen die Portugiesen nun trotzdem im Endspiel im Stade de France von Saint-Denis.

Ronaldo bejubelte den Einzug ins Finale auf Höhe der Mittellinie zunächst für sich allein. Er streckte die Arme in die Höhe und ballte die Fäuste. Im Anschluss gesellte er sich aber doch zu seinen Mitspielern. Zusammen zogen sie dann vor den Block mit den portugiesischen Ultras, die Ronaldo in der Schlussphase mit Sprechchören gefeiert hatten.

Kein Wunder. Schließlich war der 31-Jährige von Real Madrid zuvor zum Matchwinner avanciert. Nach 50 Minuten hatte sich Ronaldo in die Höhe geschraubt und per Kopf wuchtig die Führung markiert. 180 Sekunden später bereitete er mit einer harten Hereingabe den entscheidenden zweiten Treffer vor. Nani sprang in den Schuss hinein und gab ihm so aus zehn Metern Entfernung eine Richtungsänderung, auf die der Waliser Torsteher Wayne Hennessey nicht mehr reagieren konnte.

Im Anschluss spielte Portugal die Angelegenheit routiniert herunter. »Die Mannschaft hat sich gesteigert, ist kompakter geworden und zieht an einem Strang. Und jetzt ist alles möglich«, sagte Portugals Trainer Fernando Santos. »Wir sind nicht die beste Mannschaft der Welt, aber wir machen es keinem Gegner leicht. Wir wissen genau, was wir wollen und werden unseren Endspielgegner sehr genau studieren.«

Ronaldo wird am Sonntag alles dafür geben, auch mit Portugal endlich einen Titel zu gewinnen. 2004 gehörte er im EM-Finale von Lissabon zu den Verlierern, als Griechenland unter Trainer Otto Rehhagel überraschend mit 1:0 triumphiert hatte. 2006 bei der WM in Deutschland musste sich seine Elf nach Niederlagen gegen Frankreich und den Gastgeber mit Rang vier begnügen. So oder so hat sich Ronaldo auch mit dem Nationalteam seinen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert. Mit nunmehr neun Toren bei einer EM stellte er den Rekord des Franzosen Michel Platini ein. Die meisten Endrundenspiele hatte er schon zuvor absolviert.

Mit seinem dritten Treffer anno 2016 stahl er auch dem Waliser Torjäger Gareth Bale die Show. Die beiden Angreifer von Real Madrid gingen sich im Verlauf der Partie eher aus dem Weg. Vor dem Spiel gaben sie sich kurz die Hand. Einen Freistoß von Ronaldo köpfte Bale aus der Gefahrenzone. Als der sich dann in der 84. Minute auf einen Freistoß vorbereitete, kopierte er seinen Madrider Kollegen und lief rückwärts vom Tatort weg, wie es Ronaldo immer posenhaft zu tun pflegt - inklusive Seitschritt. Die »Kopie« war an diesem Tag aber nicht besser als das Original. »Cristiano ist ein Vollblutstürmer und hat jetzt wieder getroffen«, sagte der Waliser über Ronaldo. Erst nach dem Spiel unterhielten sich beide Stars länger miteinander.

Wales kann trotz der Niederlage zufrieden Frankreich verlassen. Das Halbfinale hätten dem EM-Neuling wohl nur die wenigsten zugetraut. Kein Wunder, dass sich die Spieler und Tausende Fans auf dem Rängen trotz des Ausscheidens selbst feierten. »Wir sind eine ehrgeizige Truppe«, sagte Bale. »Wir werden uns wieder aufraffen.«

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