Von Berlin nach Israel und zurück

Angelika Schrobsdorff tot

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Schriftstellerin Angelika Schrobsdorff ist am Samstag im Alter von 88 Jahren in Berlin gestorben. Dies bestätigte der Münchner dtv-Verlag am Dienstag. Zu Schrobsdorffs erfolgreichsten Büchern gehört der später verfilmte Roman «Du bist nicht so wie andere Mütter» (1992). Es erzählt von dem Leben ihrer jüdischen Mutter Else Kirschner und dem Bruch in ihrer eigenen Kindheit durch die nationalsozialistische Verfolgung.

Schrobsdorff wurde am 24. Dezember 1927 in Freiburg im Breisgau geboren. Väterlicherseits entstammte sie dem preußischen Großbürgertum, mütterlicherseits einer assimilierten jüdischen Familie. Als sie drei Jahre alt war, heirateten ihre Eltern, die Ehe hielt aber nur bis 1934. Ihre frühe Kindheit verbrachte Schrobsdorff in Berlin. 1938 floh sie wegen des NS-Verfolgung mit Mutter und Schwester nach Bulgarien; ihre Großeltern wurden in Theresienstadt ermordet. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Schrobsdorff nach Deutschland zurück.

Nach einer schweren physischen und physischen Krise begann sie Ende der 1950er Jahre zu schreiben. Ihr freizügiges Buch «Die Herren» (1961) wurde in Deutschland ein Bestseller. In ihren Romanen und Erzählungen schrieb sie immer wieder über sich und ihre schwere Kindheit im Nationalsozialismus. «Sie erzählt, was sie erlebt hat (...) mit Distanz und zärtlicher Ironie», kommentierte ihre berühmte Schriftstellerkollegin Simone de Beauvoir das Werk Schrobsdorffs.

Als Liebeserklärung an die Stadt Jerusalem kann ihr Buch «Die Stunde zwischen Tag und Nacht (1978) gelten. Darin erzählt sie aus der Zeit ihrer Ehe mit Claude Lanzmann, dem Regisseur der »Shoah«, den sie 1971 heiratete und später verließ. Sie lebte in Paris, wo sie Jean-Paul Sartre und Beauvoir kennenlernte, und in München. 1983 beschloss sie, nach Israel auszuwandern.

In Israel entstanden unter anderem »Das Haus im Niemandsland oder Jerusalem war immer eine schwere Adresse« (1989) und »Jericho, eine Liebesgeschichte« (1995). 1997 besuchte sie das bulgarische Dorf Buchowo, in das sie im Krieg geflohen war und wo sie nach eigenen Worten trotz schrecklicher Erlebnisse die »glücklichsten Zeiten« ihres Lebens verbrachte. In »Grandhotel Bulgaria« (1997) beschrieb sie die Armut und das Leid des damaligen Gastgeberlandes. Wegen des Nahostkonflikts, den Schrobsdorff zunehmend als hoffnungslos erlebte, kehrte sie 2006 nach Berlin-Grunewald zurück.

Der dtv-Verlag, der viele ihrer Bücher druckte, würdigte Schrobsdorff als »großartige Erzählerin«. Als sie, verbittert über die politische Lage in Israel, nach Berlin zurückkehrte, sagte sie dem Verlag zufolge: »Ich habe meine beiden Heimaten verloren, und ich bin nicht gekommen, um hier zu leben, sondern um hier zu sterben.« epd/nd

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