Die Spur führt ins Nationaltheater
Ulrich Völkels zweiter Weimar-Krimi ist sogar noch besser als der erste
Gegen Schluss bekommt man sogar noch die Idee für einen besonders schönen Gartenteich geschenkt. Doch passt es etwa zu Kriminalhauptkommissar Ponte, dass er dem Murmeln des Wassers lauscht und Fische beobachtet? Seine Frau kann doch froh sein, wenn er wenigstens mal pünktlich zum Abendessen zu Hause erscheint. Überhaupt scheint das Genre des Kriminalromans ein Plädoyer für freiwillig abgeleistete Überstunden zu sein. Die Ermittler können einfach nicht Feierabend machen, wenn sie in einem schwierigen Fall stecken - genau wie wir als Leser ja das Buch nicht aus der Hand legen sollen.
Trotzdem, wenn man vorher einen Thriller gelesen hat, kommt einem Ulrich Völkels Roman geradezu gemütlich vor. Keine Pistolen-Herumfuchtelei. Haben diese Polizisten überhaupt Waffen? Grips ist das, worauf es hier ankommt. Und es macht Spaß, dabei zu sein, weil man mitüberlegen, mitkombinieren kann. Wie oft in guten Krimis, ist auch das »seltsame Gefühl« nicht zu unterschätzen. Ein Sachverhalt wirkt klar, und es gibt eigentlich keinen Grund, warum da noch Zweifel nagen. Wenn jemand durch eine Überwachungskamera identifiziert ist, muss er/sie doch vor Ort gewesen sein. Oder?
Ein Banküberfall in Weimar, eine Kassiererin wird erschossen. Zufällig oder nicht? Wieso trug der Täter keine Maske? Gibt es eine Verbindung zu dem Mann, der kurz vor dem Überfall den Raum verließ und dann gleich wieder hereinkam? Und dann ist da eben noch diese Frau, die behauptet, gar nicht in der Bank, sondern im Altersheim bei ihrer Mutter gewesen zu sein.
Die Beute: nicht mal hunderttausend Euro. Aber eine Tote eben. Und einige zu Unrecht verdächtigte Leute. Ein Riesenaufwand, damit Verbrechen nicht ungesühnt bleiben und die Ordnung einer Gesellschaft zerbricht. Dagegen Null Hilfe für jene, die in wirtschaftliche Not geraten sind, als ob dies nicht auch die gesellschaftliche Stabilität unterhöhlen würde.
Solche Ressentiments finden sich nicht im Roman, aber Ulrich Völkel, der aus Plauen stammt und seit 2001 in Weimar lebt, zeigt sich empfindsam, wenn es Leuten schlecht geht. Es ist ein im Menschlichen sehr genaues Buch, und der Kriminalfall erweist sich als so verwickelt, dass man bis zuletzt in Spannung ist.
Bei Krimis soll man ja vorher nicht allzu viel vom Inhalt verraten. Nur so viel: Eine Spur führt ins Deutsche Nationaltheater. Und auch noch das: Ulrich Völkels erster Krimi war auch zu loben, aber der zweite scheint fast noch besser gelungen.
Ulrich Völkel: Die Maske des Mörders. Kommissar Ponte ermittelt - 2. Fall. Weimarer Verlagsgesellschaft. 175 S., br., 14,90 €.
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