Keine schwarze Flagge auf dem Petersdom

Die italienische Regierung zieht aus den Anschlägen in Frankreich und Deutschland Konsequenzen und stellt Soldaten zur inneren Sicherheit ab

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.
In Italien ist der Einsatz der Armee im Innern von der Verfassung gedeckt, aber in der Öffentlichkeit nicht umstritten.

Die jüngste Anschlagserie, insbesondere das Attentat auf die Kirche in St. Etienne-du-Rouvray, bei dem der 86-jährige Pater Jacques Hamel vor den Augen der Gläubigen hingerichtet wurde, hat auch die Sicherheitslage in Italien verändert.

Am Mittwoch teilte die Polizei mit, dass die Sicherheitsmaßnahmen am Kolosseum und am Petersplatz in Rom weiter verschärft wurden. Zusätzliche Kontrollen und Sperren sollen am Kolosseum - der meistbesuchten Sehenswürdigkeit in Italien - für »maximale Sicherheit« sorgen. Neben dem Petersplatz, wo die Kontrollen nach dem Anschlag von Nizza weiter ausgebaut worden waren, soll nun auch die Straße vor den Vatikanischen Museen mehr bewacht werden. Das gleiche gilt für mehrere Kirchen.

Die Behörden sehen insbesondere katholische Einrichtungen seit Längerem als gefährdet an. Mehrfach wurden IS-Kämpfer in der offiziellen Zeitschrift des so genannten Islamischen Staates, »Dabiq«, aufgefordert, endlich »Rom zu schlagen«. Die entsprechenden Aufrufe wurden von Fotomontagen begleitet, die auf der Kuppel des Petersdoms die schwarze Flagge des Kalifats zeigen. Die Warnung wird ernst genommen. Der Nationale Sicherheitsrat, bestehend aus Vertretern des Innen- und des Verteidigungsministeriums sowie aller Sicherheitsdienste, befürwortet auch den Einsatz der regulären Streitkräfte, um die Sicherheit im Inneren des Landes zu gewährleisten.

Immer wieder werden in Italien mutmaßliche Unterstützer des Islamischen Staates verhaftet und teilweise ausgewiesen. Im oberitalienischen Varese wurde am Mittwoch ein jungen Syrer festgenommen, der nach Ansicht der Ermittler nach Syrien reisen wollte, um sich der islamistischen Fatah al-Scham (früher Al-Nusra-Front) anzuschließen. Darüber hinaus wurde nach Angaben des Innenministers Angelino Alfano ein 26 Jahre alter Pakistaner ausgewiesen, der den Ermittlungen zufolge über Anschläge nachgedacht habe.

Laut der Verteidigungsministerin Roberta Pinotti stehen angesichts der Gefahrenlage Spezialtruppen auf Abruf. Auf einer Sicherheitskonferenz in Mailand erklärte sie: »Unsere Spezialeinheiten innerhalb der Streitkräfte sind bereit, an der Seite von Polizei und Carabinieri für Ordnung und Sicherheit zu sorgen.« Die Ministerin fügte hinzu, dass angesichts der neuen Terrorlage »kein Land von einem Nullrisiko« ausgehen könne.

Insbesondere die Kampfschwimmer der Einheit Comsubin sowie die Spezialeinheit der Fallschirmjäger Col Moschin wurden mobilisiert. Beide sind darauf spezialisiert, Kampfeinsätze im Ausland auszuführen, sollen künftig jedoch bei akuten Gefahrenlagen auch im Inland eingesetzt werden. Solche Einsätze des Militärs im Innern zur Bekämpfung von Terrorismus oder kriminellen Ereignissen sind von der italienischen Gesetzeslage, einschließlich der Verfassung, abgedeckt. Für die Menschen in Italien sind Bilder von Soldaten mit Maschinengewehren in den Städten nicht neu. Während der 80er Jahre kamen Truppen im Inland bereits mehrfach zum Einsatz. Damals - in der sogenannten »bleiernen Zeit« - erschütterten Bombenanschläge durch rechts- und linksextreme Gruppen das Land und töteten zahlreiche Menschen.

Diskussionen wie in Deutschland, wo zum Einsatz der Bundeswehr im Innern eine Verfassungsänderung nötig wäre, gibt es in Italien nicht. Schon jetzt gehören schwer bewaffnete Kämpfer vor öffentlichen Einrichtungen wie den Uffizien in Florenz oder der Galleria Vittorio Emanuele in Mailand zum Alltag in den Metropolen. Grund für die fehlende öffentliche Aufregung ist auch, dass die die Carabinieri bis 2004 ein selbstverständlicher Bestandteil der Armee waren.

Der Vatikan hingegen lehnt Militär zum Schutz der Kirchen ab. Ein Sprecher des Heiligen Stuhls gab den Willen des Papstes bekannt, keine militärischen Sicherheitskräfte vor Gotteshäusern und Gemeindeeinrichtungen aufmarschieren zu lassen. Auch für seine eigene Person hat Papst Franziskus verstärkte Sicherheitsmaßnahmen abgelehnt. »Das vergossene Blut darf die Gewohnheiten der Gläubigen nicht verändern, und noch weniger die der Diener des Glaubens«, hieß es aus dem Vatikan. Man verurteile das Attentat in der Normandie, sehe darin jedoch eine Einzeltat. Dennoch spricht Franziskus angesichts der Vielzahl von Anschlägen davon, dass man »im dritten Weltkrieg« lebe. Und der werde, so der Papst, »in vielen kleinen Teilen geführt«.

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