Was soll es kosten, wer soll es bezahlen?

Die Vorstellungen der Parteien zur Rente gehen weit auseinander - ein kurzer Überblick vor dem Wahlkampf

  • Roland Bunzenthal
  • Lesedauer: 3 Min.

Solidarrente, Garantierente, Mindestrente, Lebensleistungsrente - die Fantasie der Rentenpolitiker in den Parteien scheint grenzenlos; zumindest, wenn es um die Namensfindung geht. Dabei geht es bei allen genannten Modellen um dasselbe: ein eigenes soziales Netz für Rentner ohne die Zwänge der Grundsicherung. Bei dieser Hartz-IV-Variante müssen zum Beispiel zusätzliche Nebeneinnahmen wie Zahlungen aus der Riester-Rente oder Lohn für einen Minijob fast vollständig mit der Grundsicherung verrechnet werden. In Wahlkampfzeiten sind die obigen Termini ein wichtiger Faktor zur Unterscheidung der häufig verwechselbaren Parteiprogrammatik.

So hat Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ihren Parteichef Sigmar Gabriel auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Dabei ging es um die Stabilierung des Rentenniveaus. Wolle man die einstigen rot-grünen Kürzungen revidieren und das Rentenniveau auf dem heutigen Stand halten, fehlten der Rentenkasse 2029 rund 18 Milliarden Euro. Viel zu teuer, erklärten Nahles und ihr Kabinettskollege Wolfgang Schäuble (CDU) fast gleichlautend. So sinniert Nahles über ein zweites Rentenpaket, das möglichst nicht mehr kosten soll als das erste Paket von 2014. Erweiterte Babyjahre für Mütter, Lebensleistungsrente mit 63 und Aufbesserung der Invalidenrente kosteten damals zusammen rund neun Milliarden Euro pro anno.

Von den anderen Parteien lässt sich die Linkspartei am wenigsten von großen Zahlen zu den Kosten beeindrucken. Sie fordert etwa ein Rentenniveau von 53 Prozent, dies entspräche dem Niveau im Jahr 2001. Finanziert werden sollen die Mehrkosten weitgehend über einen bis auf 28 Prozent erhöhten Beitragssatz. Bislang kommt bei 22 Prozent der gesetzliche Deckel drauf.

Eine Hoffnung auf eine alternative Finanzierung hegen sowohl SPD und Grüne als auch die Linkspartei: ein Wechsel des Systems unter der Bezeichnung Bürger- oder Erwerbstätigenversicherung. Ein Spareffekt ergibt sich durch die Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten (einschließlich der Politiker) aber nur dann, wenn die Neuversicherten dauerhaft mehr an Beiträgen einzahlen, als sie an Renten ausgezahlt bekommen.

In der um interne Ruhe ringenden Union gibt es zwei umstrittene Positionen zur Rente. Erstens die von Unternehmern entliehene Idee, die Altersgrenze an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. Für Streit sorgt zweitens die Stabilisierung des Rentenniveaus, für die CSU-Chef Horst Seehofer auch den Konflikt mit dem Finanzminister nicht scheut.

Insgesamt vier Interessengruppen ringen um die Reform der Altersversorgung: Rentner, Versicherte, Arbeitgeber und Steuerzahler. Letztere wurden schon beim kleinen Rentenpaket aus der Zuschusslinie genommen: Die Kindererziehung wurde finanziell der Rentenversicherung überlassen. Jede der vier Gruppen hat einen Brückenkopf im Parlament. LINKE und Wohlfahrtsverbände machen sich für Rentner der unteren Einkommensklasse stark. Die SPD versucht, das Gleichgewicht zwischen Beitragszahlern und Rentnern zu wahren. Die Union bringt zusätzlich ein höheres Renteneintrittsalter ins Spiel. Das heißt: Die künftigen Ruheständler sollen ihr Scherflein für die Null-Schulden-Haushaltspolitik der Union beitragen.

Wenn die Gewerkschaften im September zur großen Rentenkampagne aufrufen, dürfte die Diskussion mit der SPD über ein stabiles Rentenniveau und mit der Union über die höhere Altersgrenze im Mittelpunkt stehen. Einig sind sich Rot-Rot-Grün über die Mindestrente gegen Altersarmut, aber nicht über deren Höhe. Während die SPD die Solidargrenze bei 850 Euro zieht, definiert die LINKE Solidarität mit 1050 Euro.

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