»Wir sind kein pflegeleichter Partner«

Der LINKE-Spitzenkandidat Klaus Lederer zu Farbenspielen, Politikwechseln und zur Mietenfrage

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Klaus Lederer ist Spitzenkandidat der Linkspartei zur Abgeordnetenhauswahl. Der 42-Jährige ist seit über elf Jahren zudem Landesvorsitzender der Berliner Linkspartei und ihres Vorläufers, der Linkspartei.PDS. Als Wahlziel hat Lederer, der für die Sozialisten in Berlin neue Wählermilieus erschließen soll, die Marke 15 Prozent plus x ausgegeben. Mit dem promovierten Juristen sprach für »nd« Martin Kröger.

Der SPD-Spitzenkandidat Michael Müller hat den Lagerwahlkampf in Berlin ausgerufen. Was bedeutet das für die Linkspartei?
Begonnen hat die CDU damit, die Plakate gehängt hat, wo draufstand »Rot-Rot-Grün« verhindern. Wir machen aber keinen Lagerwahlkampf, wir machen Wahlkampf für die LINKE. Wir haben inhaltlich einiges zu bieten. Wir haben eine Vorstellung davon, was sich in der Stadt vom Politikstil her ändern muss. Das steht für mich im Mittelpunkt und nicht, wer mit wem koaliert.

Die Lagerbildung hat taktisch und strategisch keine Auswirkungen?
Noch mal: Wir machen Wahlkampf für unsere Ideen. Das ist die Funktionsfähigkeit der Stadt in Bezug auf Personal und Infrastruktur. Das betrifft den sozialen Zusammenhalt, von bezahlbaren Mieten über ein günstigeres Sozialticket, Arbeitsplätze für Langzeiterwerbslose bis zur Unterstützung von Obdachlosen. Niemand stellt die soziale Frage so in den Mittelpunkt wie wir. Als Drittes stellen wir die Frage: Wem gehört die Stadt? Das wollen wir gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern beantworten, statt Ansagen von oben zu machen.

Die letzte »Ansage von oben« von Michael Müller lautete, dass er mit den Grünen regieren will. Das ist doch eine Abfuhr an die LINKE?
Möglicherweise ist der SPD aufgefallen, dass wir mit unseren Ansprüchen, wie Politik gemacht wird, doch kein so pflegeleichter Partner sind, wie Klaus Wowereit das früher formuliert hat. Mir fällt auf, dass die SPD an die Grünen wieder eine Erwartung formuliert, was sie zu tun oder zu lassen haben, damit sie mit der angeblich großen Volkspartei SPD regieren dürfen. Das ist ein Beleg für einen gewissen Realitätsverlust, denn die SPD ist weit davon entfernt, 40 Prozent zu erzielen.

Vielleicht ist das aus Sicht der SPD doch realistisch, zu sagen, wir setzen alles auf eine Karte.
Derzeit sieht es nicht danach aus, dass in Berlin zwei Parteien alleine regieren können.

Das rot-rot-grüne Lager liegt seit Jahren bei 60 Prozent. Ist es nicht auch eine Kampfansage der SPD an die LINKE, zu sagen, wir machen Rot-Grün? Irgendwoher müssen die Stimmen doch kommen.
Jeder will im Wahlkampf Wechselwähler und Stammwähler für sich mobilisieren. Wer aber so früh solche Präferenzen äußert, geht ein großes Risiko ein und hängt dafür die Latte für eine Kooperation mit uns hoch.

Sie wollen nicht am Katzentisch von Rot-Rot-Grün Platz nehmen?
Alles, was jetzt passiert, ist Wahlkampfgetöse. 2011 warnte Wowereit vor Schwarz-Grün, am Ende ließ er sich von der CDU und Frank Henkel zum Regierenden Bürgermeister mitwählen und machte Henkel zum unfähigsten Innensenator, an den ich mich erinnern kann. Unterm Strich bleibt: Wer die CDU nicht im Senat haben will, muss die LINKE wählen. Wir sind die einzige Partei, die der Berliner Union gewiss keine Regierungsoption verschaffen wird.

Wenn Sie stark werden wollen, warum sparen Sie die SPD etwa in ihrem Wahlwerbespot völlig aus? Wann schalten Sie auf Attacke um?
Wir attackieren doch ordentlich. Wir sprechen die Missstände an, machen dafür SPD und CDU verantwortlich, schlagen Lösungen vor. Wir wissen aber aus unserer Regierungszeit, dass es für gesellschaftliche Veränderungen neben der parlamentarischen Vertretung auch den Druck aus der Stadtgesellschaft braucht. Den müssen wir schaffen. Wir wollen am 18. September gemeinsam mit den Menschen die Bedingungen für eine andere, sozialere Politik schaffen.

Wenn man das Papier zum Politikstil liest, das vor kurzem unter anderem von Udo Wolf verfasst wurde, drängt sich der Eindruck auf, die Wahl ist noch nicht gelaufen und der LINKEN geht es wieder nur ums Mitregieren. Eben auf Augenhöhe.
Ich bewerte das Papier anders. Es geht darum, Erfahrungen aus dem rot-rot-grün regierten Thüringen nach Berlin zu importieren und zu zeigen, dass es einen anderen Umgang, einen anderen Stil geben kann. Das ist auch eine Ergänzung zu unserem Zwölf-Punkte-Programm, in dem wir die Kernaufgaben für die Zeit nach der Wahl festgelegt haben.

Viele Menschen würden einen anderen Umgang zwischen Politik und Stadtgesellschaft sicherlich begrüßen, die führenden Köpfe in der SPD sind zuletzt aber eher mit Machtkämpfen beschäftigt gewesen. Was stimmt Sie so zuversichtlich, dass Sie diese Politiker zu einem anderen Stil bringen können?
Ich bin nicht naiv, aber als Materialist meine ich, dass Menschen die Verhältnisse und auch sich selbst ändern können. Eines steht fest: Die Zeiten sind bewegter und rauer geworden. Durch das Auftauchen eines neuen Akteurs, der wie ein Magnet auf das bürgerliche Milieu wirkt und rechtspopulistische, rechtskonservative, christlich fundamentalistische Positionen auf sich zieht, hat sich die Lage völlig verändert. Wir müssen in der Bundesrepublik verstärkt über Dreierkonstellationen nachdenken, wenn wir politische Linksverschiebungen wollen.

Sie sprechen die AfD an. Untersuchungen zeigen, dass auch die LINKE an die Rechten verliert. Haben Sie die Gefahr zu kleingeredet?
Ich habe nie gesagt, dass wir als LINKE nicht ranmüssen, wenn Menschen verunsichert sind. Ich gebe Sahra Wagenknecht an einer Stelle recht: Man muss Merkel kritisieren, dass sie gesagt hat »Wir schaffen das«, jetzt aber mit dem Festhalten an der schwarzen Null und am Austeritätskurs die Kommunen und Bundesländer alleine gelassen hat.

Ich dachte, die LINKE in Berlin steht klar auf der Seite der Flüchtlinge. Ist es nicht ein Widerspruch, dass Sie mit Sahra Wagenknecht Wahlkampf machen, die die Aufnahme der Flüchtlinge in Zusammenhang mit terroristischen Taten einzelner gebracht hat?
Sahra Wagenknecht hat im Bundestag immer gegen jede Verschlechterung des Asylrechts gestimmt. Da stand die LINKE. Ich finde es aber falsch, die furchtbaren Taten in Bayern und andernorts mit den Geflüchteten in Zusammenhang zu bringen, die alle jeweils individuelle Schicksale und Hintergründe haben. Bei Amokläufen von Deutschen wie in Erfurt wäre auch niemand auf die Idee gekommen, das zu ethnisieren. Da darf die LINKE niemals mitmachen.

Kommen wir zu einer weiteren wichtigen inhaltlichen Frage: den steigenden Mieten. Der LINKEN hängt immer noch der Verkauf des kommunalen Wohnungsbauunternehmens GSW nach. Die Partei wird nicht als Interessenvertreterin der Mieter wahrgenommen.
Es bleibt dennoch unser Anspruch. Es stimmt, dass wir zu rot-roten Zeiten die SPD hier zwar unter Druck gesetzt haben, aber zu wenig durchsetzen konnten. Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir hier den Hebel umlegen müssen, um den Mietenanstieg zumindest zu dämpfen.

Wäre das das zentrale Projekt einer rot-rot-grünen Koalition?
Unbedingt. Fakt ist: Berlin ist schon lange nicht mehr bezahlbar für Leute, die ALG II beziehen und nur 5,71 Euro pro Quadratmeter Miete vom Amt bekommen. Wir wissen aus unserer eigenen Studie, dass 150.000 bezahlbare Wohnungen fehlen. Bis zum Ende der Legislatur muss es deshalb wieder 400.000 Wohnungen in kommunalem Besitz geben. Ein großer Teil davon muss für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen erschwinglich sein. Dafür müssten die Wohnungsgesellschaften mit 200 Millionen Euro jährlich besser finanziell ausgestattet werden. Hier ist tatsächlich ein Paradigmenwechsel nötig.

Wäre das eine rote Haltelinie für Koalitionsverhandlungen?
Vorweg einen Katalog von Dingen auszupacken, an denen definitiv jede Koalitionsverhandlung scheitert, wäre taktisch dumm. Klar ist: Unser Wahlprogramm ist nicht fakultativ. Am Ende werden unsere Mitglieder bei einem Entscheid das Gesamtergebnis bewerten und klären, ob die ausgehandelten Ergebnisse tragen. Aber warten wir doch erst einmal das Ergebnis vom 18. September ab. Bis dahin gibt es noch eine Menge zu tun, um Unentschlossene zu überzeugen.

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