Vom Regen in die Traufe

WWF-Studie: Würde Palmöl durch andere Fette ersetzt, litte die Umwelt noch mehr

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 4 Min.

Heute schon ein Brot mit Nuss-Nougat-Creme gegessen, geduscht oder ein Windlicht angezündet? Dann stehen die Chancen gut, dass Palmöl verbraucht wurde. In fast allen Lebensmitteln, Kosmetika, Reinigungsmitteln, Tierfutter, Kunststoffen und Biokraftstoffen findet sich das im Urzustand rot-braune Fett der Ölpalme. 1,8 Millionen Tonnen Palmöl verbraucht Deutschland pro Jahr - drei Prozent der weltweiten Produktion. Das Öl ist durch seine Zusammensetzung und die hohe Temperaturbeständigkeit universell einsetzbar, es ist billig und in großer Menge zu haben.

Doch die steigende Nachfrage bringt Probleme: In den Hauptanbauländern Malaysia und Indonesien müssen immer mehr Regenwaldflächen den riesigen Palmenfeldern weichen, Pflanzen und Tiere finden keinen Lebensraum mehr, die Monokultur laugt die Böden aus. Zudem tritt aus den umgewidmeten Flächen CO2 in die Atmosphäre aus und verstärkt die Klimaerwärmung. Um das Öl billig verkaufen zu können, werden die Arbeiter oft ausgebeutet, Mindestlöhne, Gewerkschaften oder Schutzkleidung sucht man vergebens.

Doch wer denkt, das Problem ließe sich lösen, wenn man Palmöl durch andere Pflanzenöle ersetzt, den belehrt eine Studie der Umweltstiftung WWF eines Besseren: Kein Palmöl ist auch keine Lösung, lautet das Fazit der Untersuchung »Auf der Ölspur«, die das Politikberatungsnetzwerk agripol für den WWF erstellt hat.

Die Autoren der Studie, Steffen Noleppa und Matti Cartsburg, haben zwei Szenarien durchgerechnet: erstens die Ersetzung von Palmöl zu gleichen Teilen durch Soja-, Kokos-, Raps- und Sonnenblumenöl und zweitens die Substitution durch in Deutschland heimische Ölpflanzen. Erdöl als Alternative - etwa in Treibstoffen - wurde als ökologischer Rückschritt ausgeschlossen. Zudem gingen die Autoren von der »optimistischen Prämisse« aus, dass 500 000 Tonnen Palmöl im Bioenergiesektor durch Altfette ersetzt werden.

Fazit beider Szenarien: Eine Ersetzung von Palmöl durch andere Fette verringert die Probleme nicht, sondern brächte neue mit sich. Würde Deutschland Palmöl durch Soja-, Kokos-, Raps- und Sonnenblumenöl auswechseln, bräuchte man für deren Gewinnung weltweit rund 1,4 Millionen Hektar mehr Anbaufläche. Und Palmöl hat eine höhere Effektivität: Aus einem Hektar Plantage lassen sich 3,3 Tonnen Öl im Jahr gewinnen - die anderen Ölpflanzen bringen laut WWF nur rund 0,7 Tonnen Ertrag auf gleicher Fläche. Für die Alternativen müsste also noch mehr Fläche zu Plantagen umgewidmet werden.

Auch eine Deckung des Bedarfs aus hiesigen Ölpflanzen ist ausgeschlossen: Die bundesweite Anbaufläche für Ölpflanzen müsste laut den Berechnungen um 730 000 Hektar vergrößert werden - das entspräche fast dreimal der Fläche des Saarlands.

Ein radikaler Palmölverzicht wäre somit nicht einmal für das Klima eine Verbesserung: 300 Millionen Tonnen Kohlenstoff würden einmalig freigesetzt, wenn weitere Flächen zu Raps-, Kokos- oder Sojaplantagen umgewidmet würden, heißt es. Auf einen Zeitraum von 20 Jahren gerechnet wären das 15 Millionen Tonnen pro Jahr, sagt Studienautor Noleppa.

Die einzig umsetzbare Lösung sieht Ilka Petersen, WWF-Palmölexpertin, im Verzicht: Würden die Bundesbürger nur halb so viel Schokolade, Fertiggerichte und Fleisch konsumieren, würde sich der Palmölbedarf deutlich verringern. Im Biokraftstoffbereich müsse auf Palmöl verzichtet werden. »Videokonferenz statt Geschäftsreise« und »Fahrrad statt Auto« laute die Devise. Die unverzichtbare Palmölmenge könne aus zertifizierten Plantagen bezogen werden. Dass auch diese nicht uneingeschränkt empfehlenswert sind, gibt Petersen zu. Dennoch sei eine Zertifizierung, die für bessere Arbeits- und Umweltbedingungen sorge, der einzige Weg.

Die Aussage klingt entschuldigend: Der WWF steht seit Jahren in der Kritik, weil er sich mit Industrie, Investoren und Banken an einen Tisch gesetzt hat, um bessere Herstellungsbedingungen zu erreichen. Der Organisation wird vorgeworfen, sich damit den Unternehmen ausgeliefert und zudem kaum Verbesserungen erreicht zu haben. Petersen bezeichnet den im Jahr 2004 auf Bestreben des WWF gegründeten Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO) dagegen als Mindeststandard. Auf den Plantagen könne man den Unterschied sehen.

Mit Abgaben dagegen lasse sich das Problem nicht lösen, so Petersen. Einzig erhöhte Steuern auf nicht zertifiziertes Palmöl kann sie sich vorstellen. Derzeit werde mehr zertifiziertes Öl hergestellt als verkauft. Grund sei der höhere Preis.

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