Die smartesten Würste von Dubai

Zwei Thüringer haben mit ihren Geschäftsideen im Wüstenemirat Fuß gefasst. Von Filip Lachmann

  • Filip Lachmann
  • Lesedauer: 7 Min.

Die Sonne lacht vom wolkenlosen Himmel auf den makellosen Sandstrand und den fast ruhenden Persischen Golf - der Blick auf Dubais Fazza Beach gleicht einem Hochglanz-Reisekatalog. Es ist fast Mittag an einem Freitag im August. Die Quecksilbersäule hat die 40-Grad-Marke mühelos überwunden. Wohl dem, der jetzt ein schattiges Plätzchen hat. Doch die meisten Sonnenanbeter an dem gut besuchten Strand scheinen gern wie Bratwürste auf dem Grillrost in der prallen Glut vor sich hin zu brutzeln. Diese Szenerie passt zu der jüngsten Geschäftsidee von Iyad Ghanem. Der Deutsch-Jordanier, der gerade um die Ecke biegt, eröffnete vor gut einem Jahr an der angesagten Badestelle einen Bratwurststand nach Thüringer Vorbild.

Schon die wenigen Schritte vom klimatisierten Auto bis zum Imbiss treiben dem 45-Jährigen die Schweißperlen auf die Stirn. Auf die Idee, eines der bekanntesten kulinarischen Kulturgüter Thüringens ins Wüstenemirat Dubai zu exportieren, kam er zusammen mit seinem Geschäftspartner Anwar Hegazi. Gemeinsam betreiben sie ein Handelsunternehmen für Medizintechnik. Kennengelernt haben sich die Unternehmer in den 1980er Jahren während des Studiums in Ilmenau. Während es Ghanem vor 13 Jahren nach Dubai zog, lebt Hegazi weiterhin in Thüringen. »Vor jedem Besuch in Dubai fragte mich Anwar, was er mir aus Deutschland mitbringen soll. Meistens wünschte ich mir Bratwürste, sodass wir eines Tages beschlossen, unseren eigenen Imbiss hier vor Ort zu eröffnen«, sagt Ghanem.

»Smart Brat - German Bratwurst Grill«, verkündet seither ein großes Schild auf dem Dach des Imbissstandes direkt an der Strandpromenade. Wie es sich für die Stadt der Superlative gehört, setzt die Grillstation auf ein besonders raffiniertes Bratsystem. »Bei uns gibt es weder einen Rost noch Holzkohle, sondern mehrere Grillmaschinen, in denen die Würste innerhalb weniger Minuten von allen Seiten knusprig gebraten werden«, erzählt Ghanem. Hinter Smart Brat steht der Anspruch, den gesamten Grillprozess zu optimieren. »An klassischen Bratwurstständen ist es schwierig, eine perfekte Wurst zu bekommen. Entweder sind sie gut zubereitet, liegen dann bis zum Verkauf aber noch eine Weile rum, sodass sie kalt werden. Oder der Andrang ist so groß, dass schon halb gare Würste verkauft werden, um die Kunden nicht zu lange warten zu lassen«, sagt der Inhaber. Bei ihrer Recherche nach alternativen Bratmethoden stießen die Unternehmer auf einen deutschen Hersteller, der eine Grillstation im Sortiment hatte, in der die Roster aufrecht gebraten werden. In jede Maschine passen zwei Würste. Wie in einem Toaster werden sie zum Braten nach unten gefahren, wo sie von spiralförmigen Heizstäben bei 440 Grad Celsius für gut vier Minuten von allen Seiten gleichmäßig erhitzt werden. Optisch wie geschmacklich ist das Ergebnis kaum von einer auf dem Holzkohlegrill gebrutzelten Bratwurst zu unterscheiden. Außerdem sei die Smart-Brat-Technik aufgrund des Verzichts auf Kohle und Fett vergleichsweise gesund. Nicht nur das technische Equipment, sondern auch die Würste sind Made in Germany. Da der Schweinefleischverkauf in dem islamischen Land sehr strengen Auflagen unterliegt, handelt es sich dabei ausschließlich um Geflügelwürste. Ansonsten wäre die deutsche Spezialität für den Großteil der potenziellen Kundschaft aus religiösen Gründen tabu. »Natürlich haben wir zu unserer Studienzeit auch die echte Thüringer Rostbratwurst gegessen. Sonst wüssten wir doch nicht, wovon wir hier sprechen«, sagt Ghanem mit einem Augenzwinkern.

Im multikulturellen Dubai, wo Gastarbeiter aus der ganzen Welt mehr als 80 Prozent der Bevölkerung ausmachen, wird die Bratwurst als spezielle Hotdog-Variante betrachtet. Neben Senf, Ketchup und weiteren Soßenvariationen können Smart-Brater ihre »Brats« - so der englische Begriff für Bratwurst - auch mit Gurken, Röstzwiebeln und Nachokäse garnieren. Zu Spitzenzeiten wandern bis zu 300 Würste täglich über die Verkaufstheke. Das ganze Jahr über empfängt der Imbiss seine Gäste. Selbst im Sommer, wenn die Temperaturen mitunter mehr als 50 Grad erreichen und viele Freilufteinrichtungen sich eine Auszeit gönnen, weil schlichtweg die Besucher fehlen.

Eine solche witterungsbedingte Zwangspause muss auch der Miracle Garden von Ende Mai bis Anfang Oktober einlegen. Die Touristenattraktion ist eines der Wunderwerke im Wüstensand. Wie es sich für das schillernde Emirat ziemt, bewirbt der Betreiber die imposante Grünlange als weltgrößten Blumengarten. Auf einer Fläche von 72 000 Quadratmetern gedeihen Jahr für Jahr mehr als 45 Millionen Blumen.

»Jede Pflanze, die hier einem Samenkorn entspringt, stammt von mir - also rund 95 Prozent des Bestands«, sagt Heike Janetzko stolz, während sie durch die mit Pflanzen verzierten Gänge schlendert. Es ist später Nachmittag. Dank der allmählich sinkenden Sonne pegelt sich die Temperatur auf einem erträglichen Niveau ein. Die Erfurterin, die auf der weitläufigen Anlage jeden Winkel bestens kennt, ist die grüne Fee Dubais. Denn obwohl ihr Handelsunternehmen für Saatgut in der Thüringer Hauptstadt angesiedelt ist, befindet sich ihr Kunden- und Arbeitsschwerpunkt am Persischen Golf. Die gelernte Dolmetscherin kam kurz nach der Wende im Dienst der Thüringer Außenwirtschaftsförderung erstmals nach Dubai und war sofort vom orientalischen Flair gefesselt. Das Know-how rund um den Saatguthandel erlernte die heute 50-Jährige später bei einem Erfurter Unternehmen, bevor sie sich 2005 mit ihrer eigenen Firma selbstständig machte. Der Erfolg ihres kleinen Betriebs ist seine Spezialisierung: »Mit den Global Playern der Branche kann ich als Ein-Frau-Unternehmen in puncto Sortimentsvielfalt natürlich nicht mithalten. Dafür kenne ich mich wie kaum eine zweite in diesem speziellen Wirtschaftsraum mit seinen klimatischen Besonderheiten aus.«

Was ihr an Marktpräsenz fehlte, machte Janetzko mit Offenheit wett. »Um hier einen Fuß in die Tür zu bekommen, bin ich in der Anfangszeit zu allen großen Projektentwicklern in der Region persönlich gefahren. So eine Kontaktaufnahme kannten die überhaupt nicht und dann noch von einer Frau«, sagt die zierliche Geschäftsfrau. Inzwischen wenden sich die lokalen Unternehmen und sogar einige Herrscherfamilien der Golfstaaten direkt an sie, wenn es um die Begrünung der Wüste geht.

Über den Hochsommer schließt die grüne Oase ihre Pforten. Erst im Herbst öffnet der Miracle Garden wieder und will neue Besucherscharen mit gänzlich neuem Konzept und frischer Blütenpracht anlocken. »Momentan tüftel ich mit Gartenmanager Nasar Rahhal an den Besonderheiten für die kommende Saison. Sein Anspruch ist es, den Miracle Garden mit jeder Wiedereröffnung neu zu erfinden«, sagt Janetzko.

Für den nächsten Tag bittet die Thüringerin mit dem grünen Daumen zur Baustellenbesichtigung ihres jüngsten Projekts, der Dubai Sustainable City - zu Deutsch nachhaltige Stadt. Auf einer Fläche von 46 Hektar entsteht zurzeit etwas abseits des Zentrums ein neuer Stadtteil samt 500 Villen, einem Planetarium, einer Hochschule sowie einem Hotel. Die Energie für die Anlage stammt zu 100 Prozent aus Solaranlagen. Zudem wird sämtliches Wasser recycelt und wiederverwendet.

Der Clou der Anlage sind jedoch zehn Gewächshäuser, in denen künftig Obst, Gemüse und Kräuter für die Bewohner des Viertels gedeihen sollen. Noch befindet sich die Gemeinschaft der kulinarischen Selbstversorger im Aufbau. Rund 200 Villen sind bereits bezogen, bis zum Jahresende soll der gesamte Stadtbezirk fertigstellt sein. Bis dahin kümmert sich Janetzko mit dem Projektmanager Yazan Sha›lan in den wie überdimensionale Iglus aussehenden Gewächshäusern um die botanische Feinabstimmung. Auf kreisförmig angeordneten Tischen drängen sich in unzähligen Pflanztöpfen dicht an dicht Cherry-Tomaten, Petersilie, Schnittlauch, Mangold und noch einiges mehr. »Mein Hauptaugenmerk gilt normalerweise Blumen. Somit betrete ich mit der Sustainable City in gewisser Weise unternehmerisches Neuland. Doch bisher entwickeln sich die Pflanzen so wie geplant«, freut sich Janetzko, in deren Kopf bereits die nächsten Ideen für grüne Oasen im Wüstensand herumschwirren.

Die Erfolgsgeschichten von Iyad Ghanem und Heike Janetzko sind Beweis dafür, dass Dubai der neue Ort der unbegrenzten Möglichkeiten ist. Seit die einst pausenlose Hatz nach immer fantastischeren Megaprojekten vorbei ist, haben auch kleinere Unternehmen aus aller Herren Län die Chance, ihren Claim in Eldorado abzustecken.

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