Veggieburger statt Currywurst
Freitags Wochentipp: Die kulinarische Deutschlandtour »Karawane der Köche« bei Sat.1
Eine Erhebung brachte es an den Tag: Das Vertrauen in Medien jeder Art ist weltweit niederschmetternd gering, Tendenz rapide sinkend. Hierzulande liegt es zwar fast doppelt so hoch wie in den USA, aber längst unter 50 Prozent. Da kann der Medienforscher Rasmus K. Nielsen von der Universität Oxford in der »Süddeutschen Zeitung« noch so betonen, Zeitungen wie jene, in der er das sagt, würden langfristig überleben, weil »der beste Journalismus heute besser denn je« sei - es scheppert so laut im Informationsgewerbe, dass leise Stimmen verklingen. Darüber kann selbst die RTL-Berichterstattung vom Münchner Amoklauf nicht hinwegtäuschen.
Wie am 11. September 2001 stellte Peter Kloeppel, würdevoll ergrautes Randgewächs im scheinrealen Kölner Urwald, die Öffentlich-Rechtlichen in den Schatten. Und als Günter Wallraff vorigen Dienstag an gleicher Stelle mit einer gut recherchierten Enthüllungsreportage in den Autobahnraststätten der Autobahnrepublik für politische Konsequenzen bis rauf ins Verkehrsministerium sorgte, da schien es fast, RTL sei seriös geworden.
Dann aber fand tags drauf dessen Programmpräsentation statt und das Wort »Seriosität« entwich dem schicken Industriedenkmal in Hamburg rascher als der Duft vom geschmorten Ochsenbäckchen, das Senderkoch Christian Rach fürs Pressepublikum kredenzte. Recycling früherer (»Der Heiße Stuhl«) und aktueller (»Raus aus der Armut«) Formate, alte (»It Takes 2«) oder frische Altware (»Winnetou«) - selbst Begriffe wie »Innovation« wirken beim früheren Marktführer irgendwie dauernd fehlinterpretiert.
Darin unterscheidet er sich kaum von einer anderen Irrenanstalt des hiesigen Fernsehens: Sat1. Auch hier fließt der Wein mal mehr, mal weniger offen aus alten Schläuchen. Nehmen wir die »Karawane der Köche«. Wenn Tim Mälzer an der Seite seines Tiroler Kollegen Roland Trettl ab Mittwoch um 20.15 Uhr Food-Trucks prämiert, ist das nur scheinbar innovativ. Tatsächlich riecht das Konzept abgestanden wie eine Premierenfolge »Perfektes Dinner«: Elf verwandte, befreundete, verpaarte Duos steuern je einen - so hießen die, bevor Vollbartträger nicht hip, sondern kauzig waren - Imbisswagen durch Deutschland, bis zehn davon herausgewählt wurden und eines das 140 000-Euro-Gefährt behalten darf.
Es wird halt gekocht, verkostet, gelobt, verteufelt, gewonnen, verloren - nur dass die Köche jetzt Veggieburger oder Suppen statt Currywurst mit Pommes rot-weiß aus der Luke reichen und gelegentlich bis zum Hals tätowiert sind.
Dass die sechsteilige Tour von Hamburg über die Ostsee ins Ruhrgebiet nach Bayern Richtung Berlin dennoch unterhaltsam ist, liegt an Mälzer, dessen Bodenständigkeit glaubhaft zwischen verstaubter Küche und moderner Cuisine vermittelt. Außerdem - Hand aufs Herz! - sind Food-Trucks mitsamt ihren idealistischen Betreibern bei aller Kritik ein Segen fürs fettverliebte Land gewissenloser Fleischfresser. Darauf ein Spaziergang zum nächsten Schnellimbisslaster. Fernsehen macht sowieso dick …
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