Zorn auf Zuma

Der Streit um den Staats- und Parteipräsidenten zerreißt den südafrikanischen ANC

  • Christian Selz
  • Lesedauer: 3 Min.

Nahe des Luthuli House in der Johannesburger Innenstadt standen sich am Montag zwei Gruppen von ANC-Mitgliedern gegenüber. Die eine Formation, bestehend aus Teilen der unzufriedenen Basis, hatte angekündigt, das Hauptquartier der Partei »besetzen« zu wollen.

Die anderen Parteianhänger, darunter Mitglieder der ANC-Frauenliga und Jugendliga sowie uniformierte Veteranen des mit dem Ende der Apartheid 1994 aufgelösten bewaffneten Arms der einstigen Befreiungsbewegung, Umkhonto we Sizwe (MK), wollten das Luthuli House »verteidigen«. Letztendlich beschimpften sich beide Gruppen, getrennt von Einsatzkräften der Polizei, gegenseitig als »Agenten«.

Ihre Besetzungspläne hatten die ANC-Rebellen zu diesem Zeitpunkt längst aufgegeben. Bereits am Morgen riefen sie ihre Anhänger auf, nicht mehr in die Johannesburger Innenstadt zu kommen. Als Grund gaben die Organisatoren angebliche Gewaltdrohungen seitens der treu zu Staats- und Parteipräsident Jacob Zuma haltenden »Hausverteidiger« an.

Die etwa 300 Demonstranten wollten schließlich ein Memorandum an ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe übergeben, wurden von den MK-Veteranen aber nicht zum Parteihauptquartier vorgelassen. So machte sich Mantashe - unter lautstarken Pöbeleien der einstigen Freiheitskämpfer - schließlich selbst auf den Weg, um den Forderungskatalog entgegenzunehmen. Dessen Inhalt hätte er da allerdings auch längst der Presse entnehmen können: Zuma, so fordern die frustrierten ANC-Mitglieder, müsse zurücktreten und mit ihm die gesamte Parteiführung. Sie werfen dem Staatsoberhaupt vor, sich selbst bereichert und die Geschicke des Landes von mit ihm vernetzten Wirtschaftsgrößen abhängig gemacht zu haben. Zuma machen sie zudem für die deutlichen Verluste des ANC bei den Kommunalwahlen Anfang August verantwortlich. In der Folge hatte die Regierungspartei sowohl Johannesburg als auch die Metropolregionen Tshwane mit der Hauptstadt Pretoria und Nelson Mandela Bay mit der Hafenstadt Port Elizabeth an die Opposition verloren.

»Das war ein Referendum gegen den ANC und wir haben versagt«, erklärte Parteiveteran Denis Goldberg, der für seinen Kampf gegen die Apartheid 22 Jahre im Gefängnis saß, bereits Mitte August in einem Interview mit dem Regionalsender Cape Town TV. Nach der Wahl hatte ANC-Vizepräsident Cyril Ramaphosa angekündigt, auf der Suche nach den Ursachen den Blick nach innen zu richten. Goldberg kritisierte, genau das hätte er - ebenso wie andere ehemalige ANC-Führer - seit Jahren gefordert, sei aber nicht gehört worden. Im Gegenteil: Mitglieder der Parteiführung trauten sich nicht einmal, mit ihm über interne Probleme zu sprechen, weil sie befürchteten, dass ihre Telefone abgehört würden. Goldberg wies im Interview auch darauf hin, dass Zuma einst den ANC-internen Geheimdienst geleitet und daher sicher ausreichend belastende Informationen gegen Mitglieder der Parteiführung um ihn herum habe.

Das Problem des ANC ist offensichtlich: Der Präsident, der die Organisation reichlich Sympathien kostet, hat die Partei in der Hand. Deshalb dürfte ihm auch der jetzige Protest - allen medialen Echos zum Trotz - wenig anhaben. Vielsagend erklärte ein Repräsentant der Protestierenden am Montag im Interview mit dem Sender ENCA, dass die Parteimitglieder sich für den öffentlichkeitswirksamen Versuch der Besetzung des Luthuli House entschieden hätten, weil die parteiinterne Demokratie »nicht sehr gut funktioniert«.

Um die Partei zu retten, fordern sie nun, vorzeitig einen Wahlparteitag abzuhalten, bei dem eine neue Führung bestimmt werden soll. Doch einflussreiche Unterstützer gibt es dafür innerhalb der Partei kaum. Turnusgemäß würde die Konferenz erst Ende 2017 stattfinden. Spätestens dann muss der ANC einen Nachfolger für Zuma bestimmen, da der Parteipräsident 2019 auch Spitzenkandidat der Partei bei der Wahl des nächsten Staatschefs sein soll. Zuma darf dann nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten, hinter den Kulissen werden bereits die Lager im Kampf um seine Nachfolge gebildet. Sich jetzt gegen Zuma zu stellen, scheint den Kontrahenten da offensichtlich zu gefährlich für die eigene Karriere.

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