Die Familie und das liebe Geld

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es die erfolgreiche Gemeinde-Klage gegen die Kreisumlage

  • Iris Leithold, Schwerin
  • Lesedauer: 2 Min.

Die 386 Einwohner zählende Gemeinde Perlin im Landkreis Nordwestmecklenburg hat sich als erste im Land vor Gericht erfolgreich gegen die Kreisumlage gewehrt. Das Verwaltungsgericht Schwerin gab der Gemeinde Recht, die ihr verfassungsrechtlich verankertes Recht auf finanzielle Mindestausstattung verletzt sah und deshalb Klage einreichte. Das nun veröffentlichte Urteil (Az: 1 A 387/14) betrifft die Kreisumlage aus dem Jahr 2013 in Höhe von 43,67 Prozent.

Die Finanzlage der Gemeinde sei bei der Festsetzung der Kreisumlage nicht ausreichend berücksichtigt worden, argumentierte das Gericht. Perlin könne bereits seit mehr als zehn Jahren nur noch weniger als fünf Prozent seiner Haushaltsmittel für freiwillige Aufgaben verwenden. Darauf habe die Kommune aber ein Recht. Bei der Festsetzung der Kreisumlage müsse sich der Landkreis an der finanzschwächsten Gemeinde orientieren und nicht am Durchschnitt aller Gemeinden.

Nach Angaben des Landkreises sind weitere Gemeinden in Nordwestmecklenburg gegen die Kreisumlage in Widerspruch gegangen, ließen die Verfahren jedoch mit Blick auf den Fall Perlin ruhen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Sprecherin des Landkreises kündigte Berufung an.

Der Jurist des Landkreises, Yann-Christoph Collin, sagte, auch der Landkreis habe ein Recht auf eine auskömmliche Finanzausstattung. Während Perlin zwei Prozent seiner Haushaltsmittel frei habe einsetzen können, seien es beim Landkreis nur 0,6 Prozent gewesen - die restlichen 99,4 Prozent mussten demnach für Pflichtaufgaben ausgegeben werden. Würde sich der Landkreis wie vom Gericht gefordert bei der Erhebung der Kreisumlage an der finanzschwächsten Gemeinde orientieren, müsste die Umlage unter 20 Prozent liegen, sagte Collin. »Dann könnten wir unsere Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen.« In einem gemeinsamen Auftritt vor der Lokalpresse bekräftigten Vertreter des Landkreises und der Gemeinde, sich als kommunale Familie nicht auseinanderdividieren lassen zu wollen. Man sei sich einig, dass das Land für eine auskömmliche Finanzausstattung der kommunalen Ebene verantwortlich sei. Auch Thomas Deiters vom Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern betonte den Zusammenhalt. Er sagte: »Wir werden das Urteil auswerten und uns dann in der kommunalen Familie mit dem Landkreistag zusammensetzen, um abzustimmen, wie damit umzugehen ist und welche Schlussfolgerungen aus diesem einen Urteil eventuell für alle Gemeinden und Landkreise gezogen werden müssen.«

Viele Gemeinden im Land stöhnen unter der Kreisumlage. Erst im Mai hatte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages, Andreas Wellmann, Absenkungen gefordert. »Die Kreisumlage ist ein steter Konfliktpunkt im Verhältnis unserer Mitglieder zu den Kreisen«, hatte Wellmann gesagt. Die höchste Kreisumlage in Mecklenburg-Vorpommern verlangt der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte von seinen Städten und Gemeinden mit 48,3 Prozent. Im wirtschaftsstarken Nordwestmecklenburg liegt sie Collin zufolge aktuell bei 42,5 Prozent. dpa/nd

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