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Das Geld liegt in der Zukunft

Die Spitzensportförderung soll reformiert werden, doch die Medaillenfixierung bleibt

Die Katze ist endlich aus dem Sack gesprungen. Sie hat sich lange genug Zeit gelassen - fast zwei Jahre um genau zu sein. Ob der Sprung wirklich weit genug war, ist jedoch heftig umstritten. Die Medaillenausbeute deutscher Sportler bei Olympischen Spielen hatte Sportführung und Politik seit Jahren nicht mehr zufriedengestellt. Also begannen Anfang 2015 der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), das Bundesministerium des Innern (BMI), Landessportminister, Sportfachverbände, ein paar Athleten, Landessportbünde und Wissenschaftler zu diskutieren, wie man wieder in die Weltspitze kommen könnte. Am Mittwoch stellte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) erstmals die geplanten Eckpunkte des Plans im Sportausschuss des Bundestages vor. Darin sind einige, teils einschneidende Veränderungen in der deutschen Spitzensportförderung aufgelistet. Eins bleibt aber unangetastet: Medaillen sind das oberste Ziel.

Der Bund fördert den Spitzensport ob seiner »Kompetenz zur gesamtstaatlichen Repräsentation«, heißt es in dem Eckpunktepapier, das »nd« vorliegt. Diese Repräsentation sei noch nicht mit vielen Teilnehmern bei Olympischen Spielen sichergestellt, sondern bedeute vielmehr, »Finalplätze und Medaillen anzustreben. Die Erfolgsorientierung, das Streben nach einem Platz auf dem Podium ist ein ureigenes Element des Spitzensports selbst«, verteidigen die Autoren die fortwährende Fokussierung auf olympisches Edelmetall.

»Eine einseitige, fast ausschließliche Fixierung auf Medaillen ist der falsche Weg«, kritisierte sogleich der sportpolitische Sprecher der Linksfraktion André Hahn gegenüber »nd«. »Wer Siebenter wird, gehört auch zu den Besten der Welt. Werden aber nur Medaillenkandidaten gefördert, fallen viele Disziplinen und sogar ganze Sportarten weg.« Hahn nutzte die kürzlich beendeten Spiele in Rio de Janeiro als Exempel: Folge man dem neuen Konzept, würden bislang so wichtige Sportarten wie Schwimmen und Fechten oder ein Großteil der Leichtathletik nun nicht mehr gefördert, sagte er. »Dabei sind Schwimmen und Leichtathletik besonders wichtig für den Breitensport«, so Hahn. Dieser werde jedoch auf den insgesamt 38 Seiten nicht einmal erwähnt. »Der DOSB hat offenbar vergessen, dass er für 28 Millionen Sportler in Deutschland zuständig ist.«

Im Konzeptpapier ist im Gegensatz zum bisherigen Förderprinzip keine Rede mehr von erzielten Leistungen, für die Einzelverbände mit einer höheren Fördersumme belohnt wurden. Künftig soll sich die Verteilung des Geldes mehr nach den Perspektiven der Athleten richten, die in vier oder acht Jahren aufs Podium springen könnten. Dafür wollen BMI und DOSB ein Berechnungsmodell namens PotAS (Potenzialanalysesystem) einführen. Das enthält dann 20 Attribute, die von einer fünfköpfigen Expertenkommission benotet werden. Aus der Gesamtnote ergibt sich schließlich die Einteilung in den Exzellenzcluster, den Potenzialcluster oder den »Cluster mit wenig oder keinem Potenzial«. Mehr Medaillen bedeuten also immer noch mehr Geld. Nur statt der schon gewonnenen sollen es künftig die noch zu gewinnenden sein.

Wem die Kommission darauf keine Chance mehr einräumt, erhält eventuell gar kein Geld: Dem letzten Cluster »zugeordnete Disziplinen können grundsätzlich nicht mit einer Spitzensportförderung rechnen«, heißt es deutlich in der Vorlage, die nun im Parlament besprochen werden soll. Eine öffentliche Anhörung von Experten ist für den 19. Oktober im Sportausschuss angesetzt.

Medaillenkandidaten sollen also besonders gefördert werden, während andernorts gespart wird. Spitzenkader werden verschlankt, von 204 Bundesstützpunkten werden wohl fast 40 gestrichen, und von 19 Olympiastützpunkten bleiben nur 13 übrig. Trainerausbildung, duale Karriereplanung und sogar Talentsichtungen an Grundschulen sollen zentral organisiert werden, um Synergien zu nutzen und die Erfüllung der Ziele ständig kontrollieren zu können.

»Ich befürchte, dass hier nur mehr Bürokratie und Intransparenz geschaffen werden«, kritisierte der sportpolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, den vorgelegten Entwurf als viel zu vage. »Da wird von Clustern, Modellen und Attributen gesprochen. Was sich dahinter verbirgt, wissen wir noch immer nicht. Und auch nicht, ob die Öffentlichkeit das Recht erhält, wirklich zu sehen, was mit seinem Geld passiert oder ob das wieder nur intern mit dem DOSB und den Sportfachverbänden ausgekaspert wird.«

Ein wenig Positives konnte die Opposition in dem Entwurf aber doch noch finden. So plädieren BMI und DOSB dafür, Verbandstrainer mit - bisher im Sport unüblichen - unbefristeten Verträgen auszustatten und deren Altersvorsorge zu verbessern. »Trainer und Trainerinnen besser zu fördern und ihnen mehr Sicherheit zu geben, ist sehr begrüßenswert«, sagte Mutlu, auch wenn der Grünen-Bundestagsabgeordnete hier ebenso konkrete Maßnahmen vermisste.

Zudem sollen die Sportverbände zur Professionalisierung verpflichtet werden und hauptamtlich arbeitende Vorstände einstellen. Das wiederum dürfte Geld kosten, weswegen DOSB-Präsident Alfons Hörmann am Mittwoch gleich mal »ein Mehrbedarf im Sinne einer Anschubfinanzierung« einforderte. Kommentar Seite 4

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