Antreiber und Getriebener

ARD-Themenwoche »Zukunft der Arbeit«: Im Mittwochs-Film »Dead Man Working« spielt Wolfram Koch einen Banker

  • Lesedauer: 4 Min.

Herr Koch, haben Sie zuvor schon mal einen Banker gespielt?

Viele sogar, zum ersten Mal 1995 in Edward Bonds »Männergesellschaft« - spannender Rollentypus im shakespeareschen Sinne männlicher Machtkonzentration. Daher waren unter meinen Bankern auch schon richtig böse dabei, fast verbrecherische.

Haben Sie eine Affinität zu einer bestimmten Figur?

Nö. Wer wie ich vom Theater zum Film kommt, spielt je nach Alter fast alles. Nach den Revoluzzern bin ich grad in die Phase der Volldeppen eingestiegen wie im Tukur-»Tatort: Wer bin ich?«, in dem Martin Wuttke und ich total dämliche Arschlöcher spielen.

Ihr Banker Jochen Walther hingegen ist weder Revoluzzer noch Depp, sondern ein Manager an den Hebeln der Macht.

Der sitzt am Drücker einer Maschine, die die Welt zum eigenen Vorteil bewegen will. »Dead Man Working« versucht aber nicht nur den Antreiber zu zeigen, sondern den Getriebenen.

Ist dieser Entscheider, dem der Erfolg weit übers Wohl aller anderen geht, dennoch ein lupenreiner Bösewicht?

Das wäre zu einfach. In Banken begehen Menschen definitiv Verbrechen, aber ich kenne im Freundeskreis meiner Kinder auch ausgestiegene Banker, die erzählen, wie gnadenlos diese Branche auch mit ihrem Spitzenpersonal umgeht. So gesehen ist Jochen Walther weder gut noch böse, sondern zunächst mal ungeheuer gierig.

Kennen Sie diese Gier von sich selbst?

Nein, ich hab ja nicht mal extremen Ehrgeiz, obwohl ich sehr auf der Suche nach Rollen bin, die mich an den Rand des Machbaren bringen. Schauspielerisch bereitet es mir daher enorme Freude, mit Macht und Gier umzugehen. Privat ist mir das völlig fremd und beruflich endet mein Ehrgeiz dort, mir größtmögliche Autonomie zu erspielen. Dafür bin ich allerdings bereit, einiges zu investieren.

Etwa, im »Tatort« nicht nur böse Banker, sondern den guten Kommissar zu spielen?

Absolut, der Hessische Rundfunk gewährt uns da kreative Spielräume, die anderswo undenkbar wären. Darüber hinaus genieße ich den Luxus, dank dieser Reihe wirtschaftlich sorglos nach vorn blicken zu können. Es kann sogar sein, dass mir erst der »Tatort« Zugang zu Filmen wie diesem verschafft hat.

In dem Sie nach einem Drittel als eine Art Geist über den Rest der Handlung schweben.

Ja, toll. Aber im Grunde gar nicht anders zu spielen, als bliebe ich am Leben. So ist es ja auch mit der Erinnerung an Menschen, die man verloren hat: sie bleiben darin genauso lieb oder fies, wie sie waren.

Dieser hier agiert ziemlich fies, während ihr Kommissar Brix das genaue Gegenteil ist.

Und das ist ein schöner Kontrast zum Theater, wo ich oft sehr extreme Figuren spiele. Umso schöner finde ich es, im »Tatort« normal zu sein, während meine Fälle total steil gehen. Wir drehen gerade eine Horror-Episode, in der ich bei mir unterm Dach ein totes Kind finde und meine Mitbewohnerin von Geistern besessen ist. Sowas Schräges hab ich noch nie gemacht.

Und das, obwohl Sie schon mit 13 in einer Böll-Verfilmung vor der Kamera standen. Warum waren Sie im Anschluss so wenig in Film und Fernsehen präsent?

Als Teenie hab ich noch zwei, drei Sachen gemacht, doch dann hatte ich eine Kabarettgruppe in Bonn und war nach der Schauspielschule voll auf die Bühne fixiert. Trotzdem hab ich immer Filme gedreht, die mir wichtig sind; es hat sie nur keine Sau gesehen. Unabhängig vom Ergebnis finde ich Drehen verglichen mit dem Theater aber auch unfassbar langweilig.

Warum?

Man bereitet Häppchenkost zu und ist ständig am Warten, während Theaterstücke vor Publikum ein einziger Rauschzustand sind.

Ist Filmen pragmatischer?

Nein, es ist auch Interesse am Weiterkommen; ich bin weit davon entfernt, diesen Beruf in all seinen Facetten zu beherrschen. Wenn ich das Gefühl hätte, dies zu tun, würde ich meine Sachen packen und was Neues suchen. Mein Anspruch ist Perfektion, aber sie wäre auch das Ende.

Was genau heißt Perfektion?

Angstfrei zu sein, keine Gedanken an die Absicherung zu verschwenden, sondern ausschließlich an die Kunst. Es bleibt eine ewige Suche.

ARD, 2.11., 20.15 Uhr. Weitere Infos zur ARD-Themenwoche: www.ard.de

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