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Atomkraft in der Schweiz darf weiterstrahlen

Eidgenossen halten in einer Volksabstimmung überraschend deutlich an der Kernenergie fest

  • Lesedauer: 3 Min.

Bern. Mit unerwartet deutlicher Mehrheit haben sich die Schweizer in einer Volksabstimmung gegen einen schnellen Ausstieg aus der Atomkraft entschieden. Gegen das von den Grünen geforderte Ende der Atomkraft bis 2029 stimmten 54,2 Prozent der Schweizer. Für die Atomausstiegsinitiative votierten am Sonntag 45,8 Prozent der Eidgenossen. Dem Vorstoß waren in Umfragen gute Chancen eingeräumt worden. Damit ist zum wiederholten Mal eine Anti-Atom-Initiative gescheitert. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 45 Prozent.

Die Befürworter des Referendums hatten auf das hohe Alter der Schweizer Reaktoren und das Risiko von Atomunfällen hingewiesen. Drei der fünf Atomkraftwerke gehören zu den ältesten der Welt. «Wir werden dranbleiben. Die Probleme sind mit dem heutigen Tag nicht gelöst», sagte die Schweizer Grünen-Chefin Regula Rytz.

Die Regierung hatte gewarnt, dass ein vorschneller Ausstieg Importe ausländischen Atom- und Kohlestroms notwendig machen würde. Nach dem «Nein» zur Initiative bleiben auch zwei 1969 und 1971 in Betrieb gegangene Atommeiler in unmittelbarer Grenznähe zu Baden-Württemberg am Netz. Entscheidend für das «Nein» war laut Meinungsforschern die große Ablehnung der Initiative im deutschsprachigen Teil der Schweiz. In den französisch geprägten Kantonen überwog die Zustimmung.

Die Schweiz hatte nach dem Atom-Unfall von Fukushima 2011 zwar einen Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen, aber auf einen Zeitplan verzichtet. Nach diesem Beschluss dürfen keine neuen Atomkraftwerke mehr gebaut werden. Bestehende Reaktoren können weiter betrieben werden, solange ihre Sicherheit als gewährleistet gilt.

Die Grünen und ein breites Bündnis von Atomkraftgegnern wollten mit der Initiative für einen «geordneten Ausstieg aus der Atomenergie» erreichen, dass Schweizer AKW spätestens nach 45 Betriebsjahren abzuschalten sind. Das hätte für das Atomkraftwerk Mühlenberg bei Bern sowie die zwei AKW Beznau 1 und Beznau 2 in unmittelbarer Nähe zu Baden-Württemberg bereits 2017 das Aus bedeutet.

Die Absage der Schweizer an einen schnellen Ausstieg aus der Atomkraft wurde in Deutschland mit Bedauern aufgenommen worden. «Das Ergebnis des Volksentscheids ist eine Enttäuschung für alle, die sich Klarheit darüber erhofft hatten, wann in der Schweiz der letzte Atommeiler vom Netz geht», erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) am Sonntag.

Die Eidgenossenschaft mute der Wirtschaft des Landes damit weiterhin Unklarheit und Unsicherheit über die energiepolitische Zukunft der Schweiz zu. Gleichwohl ändere das Abstimmungsergebnis nichts daran, dass die Atomkraft auch in der Schweiz ein Auslaufmodell sei. «Eine nachhaltige Energieversorgung ohne nukleare Risiken ist möglich - auch in der Schweiz», betonte die Sozialdemokratin.

Die Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter betonte, auch nach dem «Nein» der Schweizer müssten sich Atomkraftgegner «weiter beharrlich gegen diese Risikotechnologie» stellen. Auch Anrainer wie Deutschland seien gefordert, bei ihren Nachbarn vehement für die sofortige Stilllegung grenznaher Schrottmeiler einzutreten, sei es in der Schweiz, in Frankreich, in Belgien oder in Tschechien. Das Engagement der Großen Koalition (in Berlin) ist vor dem Hintergrund der alltäglichen Bedrohung gefährlich nachlässig«, kritisierte Peter.

Die wichtigste heimische Quelle für Schweizer Strom ist die Wasserkraft. Über 600 Wasserkraftwerke erzeugen fast 60 Prozent des in der Schweiz produzierten Stroms. Die Atomkraftwerke trugen fast 40 Prozent bei. Andere erneuerbare Energien wie Windkraft und Sonnenenergie leisten aktuell nur einen ganz geringen Beitrag zur Versorgung. Im Winter reicht die Schweizer Energieproduktion nicht aus. Dann wird vor allem Atomstrom aus Frankreich importiert. dpa/nd

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