Holpriger Neustart bei der CDU

Gleich bei der ersten Entscheidung verweigert die Partei der neuen Chefin Grütters zunächst die Gefolgschaft

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Monika Grütters findet deutliche Worte: »Tiefpunkt«, »Debakel«, »Krise«. Doch - und da zitiert die Kulturstaatsministerin Max Frisch: Krise könne produktiv sein. »Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.« Das kann Grütters gleich üben, denn bei ihrer Wahl zur neuen Landeschefin der CDU läuft es nicht wie geplant. »Ich lasse mir nicht alles bieten«, fühlt sie sich gleich gezwungen zu drohen.

Bisher konnte sich Grütters etwas raushalten aus dem Machtgeklüngel der hauptstädtischen Altherrenriege. Sie war zwar Vize-Landesvorsitzende der CDU, konzentrierte sich aber auf ihre Aufgabe im Kanzleramt. Jetzt aber soll sie diese Partei umkrempeln. Denn Berlin ist für die CDU ein Problem. Die Abgeordnetenhauswahl im September war ein Weckruf, der ein Jahr vor der Bundestagswahl vielleicht gerade noch rechtzeitig kam.

17,6 Prozent erreichte die CDU in Berlin, sie war so schlecht wie noch nie - und flog aus der Regierung. Spitzenkandidat Frank Henkel - ein typischer CDU-Innensenator mit teils hart-konservativen Ansichten, aber angeblich weichem Gemüt - trat zurück. Ein Sexismus-Skandal schüttelte die CDU zusätzlich durch.

Grütters, am Freitagabend mit 75,3 Prozent der Delegiertenstimmen zur Nachfolgerin gewählt, übernimmt nun eine zerrissene Partei. Um die Listenplätze für die Bundestagswahl ist ein fieser Streit ausgebrochen.

Dann fällt auch noch der von ihr als Generalsekretär vorgeschlagene Stefan Evers im ersten Wahlgang durch. Grütters Gesicht wird hart, die Stimme schneidig. Sie wertet das Ergebnis als Angriff auch auf sich selbst: »Eine Landesvorsitzende, die frisch gewählt ist, zu unterstützen, ist etwas, was man vom Korpsgeist dieser Partei erwarten kann«, sagt sie kalt.

Ihre Wahl ist der Versuch einer Modernisierung, weg vom Image des verstaubten Ladens alter Herren aus dem reichen Südwesten, in dem jeder zu allererst an sich selbst denkt. Die stellvertretende Landesvorsitzende übernimmt die neue Aufgabe mehr aus Pflichtbewusstsein denn aus Leidenschaft.

Als Kulturstaatsministerin hatte sie die Rolle ihres Lebens eigentlich bereits gefunden. Jetzt geht sie ein Risiko ein. Denn läuft es nicht im Landesverband, könnte das auch an ihrem bisher guten Ruf im Kanzleramt kratzen. Zugleich konnte die 54-Jährige aber kaum Nein sagen, als die Partei rief. Denn sie ist auf einen guten Listenplatz angewiesen, um im kommenden Jahr wieder in den Bundestag einzuziehen. Das macht gefügig.

Ihren im zweiten Versuch dann doch ganz knapp gewählten liberalen Generalsekretär Evers lobt Grütters für »seine konzeptionelle Stärke und sein kommunikatives Geschick«. Evers ist jung (37), hat einen guten Draht zu SPD und Grünen, könnte tatsächlich für eine neue, modernere Hauptstadt-CDU stehen. In der Debatte um die Homo-Ehe beispielsweise stritt er für die Ehe für alle - und gegen die Mehrheit seiner Partei. Auch weil er selbst »glücklich verpartnert« mit einem Mann zusammenlebt.

Für Grütters soll der neue Generalsekretär den Kontakt in die Stadt und ins Abgeordnetenhaus sichern, während sie selbst eher in der Bundespolitik bleibt, großen Rückhalt bei Kanzlerin Angela Merkel hat und eventuell ins Parteipräsidium aufrückt. dpa

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