Erstmals Videobeweis im Fußball angewendet

Premiere in Japan: Im Halbfinale der Klub-WM entscheidet der Videoschiedsrichter auf Strafstoß

Selbst der gnadenlos durchkommerzialisierte Fußball stößt in seiner Profitgier ab und an noch an Grenzen. Gut zu beobachten ist dies an der gerade laufenden FIFA-Klub-WM in Japan: Dass Real Madrid am Donnerstag nach einem 2:0-Halbfinalsieg gegen den mexikanischen Club América im Endspiel der WM steht (Tore: Benzema und Ronaldo), interessiert auf dem Hauptmarkt Europa kaum jemanden, das Endspiel am Sonntag in Yokohama wird wohl ebenfalls nur wenig Beachtung finden.

Der Heimatkontinent des Fußballspiels interessierte sich bisher nur für einen historischen Moment im ersten Halbfinale am Mittwoch. Und zwar nicht weil die Kashima Antlers nach einem 3:0 in Osaka gegen Atlético Nacional aus Kolumbien die erste asiatische Mannschaft sind, die es in das Endspiel einer Klub-WM geschafft hat. Nein, die Besonderheit dieses Matches lag in einem ziemlich unvermittelten Pfiff des ungarischen Schiedsrichters Viktor Kassai Pfiff und den Ereignissen darauf.

Es war die 30. Minute, in der der Ungar mit beiden Händen ein Viereck in die Luft zeichnete - die Geste für das neue »TV-Zeichen« - und an den Spielfeldrand zu Danny Makkelie, seinem »Video Assistance Referee« (VAR) lief. Jener »Videoassistenzschiedsrichter«, den die FIFA in Japan erstmals bei einem ihrer Wettbewerbe ausprobiert, stand an der Bande und zeigte dem ungarischen Hauptschiedsrichter auf einem Bildschirm eine Szene, die etwa zwei Minuten zurücklag. Kassai studierte eine halbe Minute lang die Bilder auf dem Display, dann drehte er sich um und pfiff erneut: Elfmeter für den japanischen Meister.

Während nun die Kolumbianer noch lamentierten und die Japaner sich beeilten, zum Elfmeterpunkt zu gelangen, konnten die 15 000 Zuschauer auf der Anzeigetafel unter dem blinkenden Stichwort »VAR« die Wiederholung jener Szene anschauen, für die Kassai nachträglich Elfmeter gegeben hatte: Bei einem Antlers-Freistoß in der 28. Minute hatte Nacional-Spieler Orlando Berrio seinen Gegenspieler Daigo Nishi im Strafraum zu Fall gebracht, weit weg vom Geschehen am Ball, dem Kassai und seine zwei Linienrichter in jenem Moment offenbar ihre ganze Konzentration gewidmet hatten.

Als auf dem Rasen die Gemüter beruhigt waren, lief Shoma Doi für die Japaner an und traf ins linke Eck: 1:0 in der 33. Minute - der erste Elfmeter in der Geschichte der FIFA-Wettbewerbe, der auf dem Videobeweis fußte. Beim Weltverband sah man die Entscheidung als gelungen an: »Bei dem Vorfall heute Abend war die Kommunikation zwischen dem Schiedsrichter und dem Videoschiedsrichterassistenten klar, die Technik hat gut funktioniert und letztlich wurde die Entscheidung durch den Schiedsrichter getroffen«, befand Massimo Busacca, Leiter der FIFA-Schiedsrichterabteilung.

Seit Jahren wird über den Videobeweis im Fußball gestritten, im Sommer entschloss man sich nun zu einer längeren Probezeit. Bis 2018 will die FIFA testen, wie der gut der Videobeweis im Fußball funktioniert, spätestens Anfang 2019 soll das für Regelfragen zuständige International Football Association Board (IFAB) eine Entscheidung zum VAR-System gefällt haben.

In den Niederlanden hat man den Videoreferee bereits getestet, ab 2017/2018 soll er in zwölf großen Ligen zum Einsatz kommen, unter anderem auch in der Bundesliga. Dabei bleibt das Einsatzgebiet der VARs aufs Wesentliche beschränkt: Tore, Elfmeter, Rote Karten oder Verwechslungen bei Gelben und Roten Karten sind die einzigen Spielmomente, in denen der VAR den Hauptschiedsrichter per Funk auf mögliche Fehler hinweisen kann. Der wiederum kann sich im Gegenzug bei Bedarf bei seinen Kollegen vergewissern, wie eine Spielsituation zu bewerten ist.

Dass in Osaka fünf Minuten zwischen Foul und Elfmeterausführung vergingen, könnte die Kritiker des Videobeweises in ihrer Argumentation bestärken, der Spielrhythmus wurde in Osaka erkennbar gestört. Bei der Klub-WM wird der VAR eifrig genutzt: Als Ronaldo am Donnerstag in der Nachspielzeit für Real Madrid zum 2:0 getroffen hatte, monierten die Mexikaner eine vermeintliche Abseitsstellung. Der Videoschiedsrichterassistent überprüfte die Szene und gab sein Okay: Ende der Diskussion.

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