»Stürze gehören zum Geschäft«

Nach dem Unfall der Schwedin Anna Holmlund macht die Skicrossszene einfach weiter

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach dem vier Meter hohen Sprung die saubere Landung, ein eleganter Ritt über die Wellen, und zum Schluss noch die scharfe Steilwandkurve nehmen. Dabei nicht mit den drei Konkurrenten zusammenprallen und die eigene Konzentration bewahren - sonst kann es schnell böse enden. Für Zuschauer ist die noch relativ junge Wintersportdisziplin Skicross ein beeindruckendes Spektakel, den Fahrern und Fahrerinnen wird jedoch Härte abverlangt. Prellungen, verschobene Wirbel oder Knochenbrüche sind keine Seltenheit. »Wir bewegen uns ganz klar in einer Risikosportart«, sagt Ralph Eder, Sprecher des Deutschen Skiverbandes. Meistens geht es gut. Manchmal, wie im Fall von Anna Holmlund aber nicht.

Die schwedische Skicrosserin war kurz vor den Weihnachtstagen während des Trainings für den Weltcup im italienischen Innichen gestürzt. Zügig brachte man die bewusstlose Sportlerin mit einer Kopfverletzung ins Krankenhaus, dort musste sie operiert werden. Die Mediziner stellten Hirnblutungen fest, später entdeckte man zusätzlich eine Schwellung des Gehirns. Der Mannschaftsarzt Jakob Swanberg äußerte sich besorgt: Die Ergebnisse seien »niederschmetternd«, es bestehe ein »großes Risiko auf bleibende Schäden«. Die 29-Jährige befindet sich im künstlichen Koma.

Viele Fans des europäischen Skisports zeigten sich in sozialen Netzwerken erschüttert. Holmlund gilt als Star der Szene. Bei 67 Weltcupstarts stand sie in 33 Fällen auf dem Podest. 19 mal konnte sie die Goldmedaille gewinnen. Bei der WM 2011 war sie Dritte, in Sotschi 2014 holte sie Olympiabronze.

Holmlunds Kollegen reagierten mit Trauer, große Änderungen im Ablauf des Weltcups blieben aber aus. Ihr Partner Victor Öhling Norberg hatte als einziger Skicrosser auf den Start verzichtet. Der Unfall hatte dennoch viele Sportler überrascht: »Es war eine einfache Welle, sie hatte offenbar die Kontrolle verloren«, vermutet der Schweizer Fahrer Alex Fiva, der in Innichen den dritten Platz belegte. Im Training sei er kurz hinter Homlund gefahren, sagt er gegenüber »nd«. »Als man sie länger behandelte und das Training abbrach, war klar, dass es etwas Ernsteres ist.«

Fiva ist sich sicher: Schuld an dem Vorfall hat niemand. »Keiner von uns hat Bedenken wegen der Sicherheit«, sagt der 30-Jährige. »Es handelt sich um einen Schicksalsschlag, wie man ihn im Leben immer wieder hat.« Auch er habe schon Knochenbrüche und Bandscheibenprobleme erlebt. Holmlunds Partner und dem schwedischen Team schickte er Grüße.

Die Schweizerin Fanny Smith zeigte sich ebenfalls gefasst. »Wir sind keine Verrückten. Anna hatte einfach nur Pech«, sagte die 24-Jährige gegenüber dem Schweizer Onlinemagazin »Blick.ch«. »Sie ist an einem Ort gestürzt, an dem man eigentlich gar nicht stürzen kann.« Sie gehe von einem Konzentrationsfehler aus. Smith wolle sich lieber auf ihre eigene Leistung konzentrieren, anstatt sich nun von der Angst ablenken zu lassen: »An das Schicksal von Anna habe ich keinen Moment gedacht. Wir haben im Team auch nicht darüber diskutiert«, sagte die Sportlerin, die in Innichen Platz zwei belegte. Smith, Weltmeisterin von 2013, war gerade erst selbst von einer langen Verletzungspause zurückgekehrt.

Die Österreicherin Katrin Ofner, Achte in Innichen, erklärte dagegen, dass in ihrem Team sehr wohl über den Unfall diskutiert wurde. Auch sie wolle sich aber nicht von der Gefahr lähmen lassen. »Falls das eintreten würde, wäre es besser, nicht zu starten«, sagt die Sportlerin. Wenn sie sich unsicher oder nicht fit fühle, würde sie auch nicht an den Start gehen, versichert sie.

Das deutsche Team habe laut Verbandssprecher Ralph Eder einen vernünftigen Umgang mit der Situation gefunden. »Es waren keine Defizite beim Kursaufbau oder dem Material erkennbar. Somit fällt die Verarbeitung einfacher«, erklärt er. Das Team habe gemeinsam den Vorfall analysiert und miteinander besprochen.

Eder weist darauf hin, dass es seit dem letzten verheerenden Unfall aus dem Jahr 2012 große Veränderungen im Sport gegeben habe. Damals war der für die Kanadier antretende Nick Zoricic an einem schweren Schädel-Hirn-Trauma sogar verstorben. Er hatte nach einem weiten Sprung die Piste komplett verfehlt. »Als Folge hat man die Geschwindigkeiten von 90 auf rund 60 bis 70 Kilometer pro Stunde gesenkt«, sagt Eder. Der Internationale Skiverband schicke zudem nun Prüfer, die im Vorfeld schauen, ob der Kurs sicher gebaut ist. Stürze könne man aber trotzdem nie ausschließen. Sie würden zum »Geschäft« gehören.

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