Warten auf die nächste Krise 2017

China ist Marktwirtschaft, der Dollar gewinnt und die EU-Bankenregeln werden gelockert - viel Zündstoff

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Adam Smiths »unsichtbare Hand« rüttelt nicht mehr allein die Märkte, sondern den gesamten Kapitalismus durcheinander. So hat die vom Staat gelenkte Volkswirtschaft Chinas seit Dezember weltweit den Status einer Marktwirtschaft. Zuvor war bereits der Renminbi vom urkapitalistischen IWF in den illustren Kreis der fünf Währungen der Welt aufgenommen worden, die als globale Reserve gelten. Auch anderswo brachte 2016 eine Zeitenwende: So fusionieren zwei Tempel des Finanzkapitalismus, die einst konkurrierenden Börsen in London und Frankfurt.

Zur Unordnung passen einige gewaltige Zahlen. Die Eurozone ist mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von über 10 000 Milliarden Dollar hinter den USA der zweitgrößte Währungsraum der Welt, dicht gefolgt von China. Dass auch der asiatische Wirtschaftsriese nicht unverwundbar ist, zeigen neben den deutlich niedrigeren Wachstumszahlen dessen Währungsreserven: Sie betragen rund 3000 Milliarden Dollar - Mitte 2014 waren es noch 1000 Milliarden mehr.

Doch die pekuniäre Musik spielt nicht allein in Peking. Nach Schätzungen eines Ausschusses des US-Kongresses lagern US-Unternehmen fast 3000 Milliarden Dollar im Ausland - um Steuern zu sparen. Diese Summen zeigen vor allem eines: Dem modernen Finanzkapitalismus mangelt es nicht am Geld.

Der Finanzmarktexperte und Gründer der Memorandum-Gruppe, Jörg Huffschmid, hat in den 1970er Jahren wohl als erster die volkswirtschaftlichen Probleme des überbordenden Reichtums erforscht: Die hohen Profite in der realen Wirtschaft werden nicht vollständig konsumiert und fließen in die Finanzmärkte. Deren Bedeutung wächst dadurch Jahr für Jahr. Genauso wie die Zahl der Reichen. Im Ergebnis wandelt sich der klassische Kapitalismus in einen, wie es Huffschmid nennt, »finanzmarktgetriebenen Kapitalismus«. Dieser führt zu weiterer Umverteilung, bremst die reale Wirtschaftsentwicklung und ist besonders krisenanfällig.

Geld allein macht bekanntlich nicht glücklich. So könnten 2017 die wirtschaftlich, politisch und kulturell heiklen Zeiten zu einem »kalten Währungskrieg« führen. Dies meint der Volkswirt der kalifornischen Fondsgesellschaft Pimco, die zum deutschen Allianz-Konzern gehört.

Den Startschuss zum Währungskonkurrenzkampf hat im Dezember die US-Notenbank Fed abgefeuert, als sie ihren Leitzins anhob. Und damit den Dollar attraktiver für das Finanzkapital machte. Folgt 2017 das Ende der Nullzinsphase auch in Euroland und in anderen Währungsgebieten?

Noch auf einem anderen Feld bekriegen sich Japan, China, USA und EU: den Banken. Die US-Geldgiganten haben die große Finanzkrise 2007/2008 aufgrund geschickter staatlicher Regulierung besser weggesteckt als die europäischen.

Die weihnachtliche Zuspitzung der Bankenkrise in Italien darf daher als Menetekel für 2017 gelten. In jedem Währungsraum denken Regierungen und Vorstände an ihre »nationalen« Interessen. So muss die kriselnde Deutsche Bank ab Januar weniger Geld für Krisen vorhalten. Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank hat für viele Großbanken Eigenkapitalvorschriften gelockert. Weiter zugespitzt wird der transatlantische Konflikt über das globale Regelwerk für Banken, »Basel III«. Noch im Januar könnte sich entscheiden, ob der in Chile ausgehandelte Kompromiss nur ein Spiel auf Zeit war. Dabei sind die Regeln nicht mehr dieselben wie vor der Finanzkrise. Rund 500 Seiten umfasst die Übersicht über den aktuellen Stand der kreditwirtschaftlich wichtigen Vorhaben der EU. »Basel III« für Versicherer wird inzwischen in der Praxis umgesetzt und macht die Assekuranz krisenfester.

Doch während ein Teil des Finanzmarktes von der Politik eingehegt wird, entweicht das aggressive Finanzkapital auf der Suche nach höheren Renditen aus der Niedrigzinswelt. Geldanlagen in Immobilien und -fonds haben in vielen Ländern Blasen aufgepumpt (und Mieten in die Höhe getrieben). Auch der »graue«, kaum regulierte Kapitalmarkt wächst euphorisch. Vermögensverwalter wie Black Rock oder Pimco verfügen über Billionenwerte und sind beispielsweise an fast jedem bedeutenden Industrieunternehmen außerhalb Chinas beteiligt.

Auch 2017 wird die »unsichtbare Hand« keine ruhige sein. »Finanzkrisen sind regelmäßige Begleiterscheinungen kapitalistischer Entwicklung«, hatte Huffschmid vorausgesagt. Und sie liefen immer nach dem gleichen Schema ab, das im Wesentlichen von Herdenverhalten bestimmt werde: »Euphorie - Panik - Absturz«.

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