Das Objektiv der BRD
Thomas Mauchs Filme im Kino Arsenal
Thomas Mauch, einen der bedeutendsten Kameramänner und Filmemacher des bundesdeutschen Films, könnte man als Glückspilz bezeichnen. Geboren im Jahr 1937, hat er - ohne je ein Filmstudium absolviert zu haben - in seinen fast 80 Lebensjahren an etwa 190 Filmen mitwirken können. 1959 hat er seinen ersten Dokumentarfilm gedreht, hat also mit 22 Jahren mit seiner professionellen Kameraarbeit begonnen.
Und er traf in dieser Zeit Menschen seiner Generation, die wie er voller Leidenschaft für den Film waren. Diese Leute - wie etwa Alexander Kluge, Werner Herzog, Werner Schroeter, Edgar Reitz, Ula Stöckl, Helma Sanders-Brahms - hatten alle das Bedürfnis, sich mit Vergangenheit und Gegenwart kritisch auseinanderzusetzen. Dazu kam, dass das Fernsehen der Bundesrepublik Deutschland in dieser Zeit der 60er und 70er Jahre voller Interesse an der Filmkunst war. Durch die Einrichtung des »Kleinen Fernsehspiels« mit Eckart Stein als Leiter wurden neue Möglichkeiten geschaffen und diese immer intensiver genutzt.
Das hatte Auswirkungen auch auf die Form der Filme. Thomas Mauch war meist Kameramann, aber einige der Filme hat er als Regisseur oder auch als Produzent verantwortet. Alle Filme wurden von ihm mit einer großen Lockerheit realisiert, wie er selber immer wieder betonte. Es musste nichts bewiesen werden. »Thomas Mauch ist - zumindest für Herzog, Kluge und mich - ein Kameramann, dem wir einen Teil unserer Identität als Filmemacher verdanken«, bezeugte Helma Sanders-Brahms.
Für die Werkschau im Arsenal wurden im engen Kontakt mit dem Jubilar neun Programme mit 16 Filmen aus unterschiedlichen Schaffenszeiten zusammengestellt. Das Programm will mit Filmen wie »Stroszek« (Werner Herzog, 1977), »Aguirre, der Zorn Gottes« (Werner Herzog, 1977) oder »Palermo oder Wolfsburg« (Werner Schroeter, 1980) die berühmten Werke des bundesdeutschen Films ins Gedächtnis rufen.
Besonders erfreulich ist, dass der wunderschöne Film »Unter dem Pflaster ist der Strand« von Helma Sanders-Brahms zur Auswahl gehört. Dieser Film ist mit seiner Genauigkeit und seinem Charme einer der schönsten deutschen Liebesfilme: Aus Versehen werden Grischa Huber und Heinrich Giskes nach einer Probe im Probenraum eingeschlossen. Das ist der Beginn einer unerwarteten, leidenschaftlichen Liebe, die aber nicht lange hält. Beide Liebende leiden unter dem Scheitern der 68er-Bewegung, werden aber auf unterschiedliche Weise mit dieser Situation fertig.
Auch den Film »Die Berührte« (ebenfalls von Helma Sanders-Brahms) ist ausdrücklich zu empfehlen. Er erzählt die Geschichte einer jungen schizophrenen Frau, die unter der Kälte der Gesellschaft (auch in der Familie) leidet, und sich aufopfert, indem sie sich Männern hingibt, in denen sie Jesus Christus zu erkennen glaubt. Ein absolut außergewöhnlicher Film, der am kommenden Sonntagabend im Arsenal läuft, und der ohne das TV kaum zustande gekommen wäre, der jedoch nie ausgestrahlt wurde. Elisabeth Stepaneks Darstellung ist herzzerreißend und die Bilder von Berlin sind düster, aber authentisch.
Bis 8. Februar im Kino Arsenal
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