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Radikale Vetternwirtschaft

In Südafrika eskaliert die Lage im Parlament schon vor der Rede zur Lage der Nation von Präsident Jacob Zuma

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Wüste Pöbeleien zwischen Abgeordneten, ein Pfeffersprayeinsatz und eine handfeste Schlägerei: Die Szenen, die sich am Donnerstagabend im Kapstadter Parlament abspielten, warfen kein gutes Licht auf den Zustand der Demokratie in Südafrika. Der Anlass war bezeichnend: Zur Eröffnung des Parlamentsjahres verlas Staatspräsident Jacob Zuma seine alljährliche »Rede zur Lage der Nation«. Doch als er mit 80 Minuten Verspätung beginnen konnte, hätte es keinerlei Worte mehr bedurft.

Bis 2014 war die Parlamentseröffnung eine Art Schaulaufen der politischen Elite, zu der Südafrikas Abgeordnete ihre schillerndsten Kostüme und exquisitesten Hüte über den roten Teppich im Kapstadter Zentrum trugen. Dann zog die radikale linke Oppositionspartei Economic Freedom Fighters (EFF) ins Abgeordnetenhaus ein, in roten Arbeitsoveralls. »Wir sind hier, um zu arbeiten, nicht um modisch zu sein«, sagte deren Vizepräsident Floyd Shivambu am Donnerstag vor Journalisten. Und diese Arbeit besteht aus wohlkalkulierter Eskalation. Bei jeder der bisherigen drei Reden Zumas ist die EFF-Fraktion des Parlaments verwiesen worden. 2014 hatte sie von Zuma verlangt, die Kosten für den Ausbau von dessen Privatwohnsitz in die Staatskasse zurückzuzahlen, im vergangenen Jahr kritisierte sie dessen Verbindung zu einer Politikerfamilie, die staatliche Strukturen unterwanderte. »Wenn wir im nächsten Jahr wiederkommen, werden sie nicht mehr Präsident sein«, schrie EFF-Chef Julius Malema Präsident Zuma damals zu, als er den Saal verließ.

Doch der Staatschef, dem das Verfassungsgericht im vergangenen Jahr tatsächlich attestierte, dass er im Zusammenhang mit dem Ausbau seines Anwesens die Verfassung gebrochen hatte, sorgte vor. Neben Tausenden Polizisten ließ er seine Rede erstmals auch vom Militär absichern. Die neoliberale Democratic Alliance (DA), Südafrikas stärkste Oppositionspartei, reichte deshalb am Freitag Verfassungsbeschwerde ein. Die EFF bevorzugte am Donnerstag die direkte Konfrontation. Man werde nicht zulassen, dass ein Krimineller vor dem Parlament spreche, wetterte Malema. Zuma nahm es mit versteinerter Mine hin. Während Sicherheitskräfte die EFF-Politiker schließlich mit roher Gewalt aus dem Parlament prügelten, kicherte der Staatschef dann deutlich hörbar. Nachdem auch die DA-Fraktion aus Protest gegen einen Pfeffersprayeinsatz in der Besuchergalerie den Saal verlassen hatte, begann Zuma seine Rede vor dem halb leeren Parlament mit einem lang gezogenen »Hehehehehe«.

Die Oppositionspolitiker blieben nicht die Einzigen, die der Präsident an diesem Abend veralberte. »Das Ziel unseres Kampfes in Südafrika, wie es in der Freiheitscharta erklärt ist, umfasst ökonomische Emanzipation«, zitierte Zuma Oliver Tambo. Eine Befreiung habe keine Bedeutung, wenn nicht »der Reichtum des Landes dem gesamten Volk« zurückgegeben werde, sagte Zuma in den Worten des langjährigen ANC-Präsidenten und Anti-Apartheid-Kämpfers weiter. Das klang progressiv. Zuma nannte auch die Statistiken zur schleichend langsamen Landreform und zur immer noch extrem ungleichen Einkommensverteilung zwischen Schwarz und Reich.

Doch seine Konsequenz daraus ist nicht Armutsbekämpfung, Südafrikas Präsident will stattdessen schlicht weiße durch schwarze Kapitalisten ersetzen. »Eine radikale Transformation der Wirtschaft sollte über Teilbesitz-Modelle hinausgehen. Wir wollen sehen, dass Schwarze direkt im Geschäft sind und Fabriken besitzen«, erklärte Zuma. Die Frage nach dem Eigentum der Produktionsmittel beantwortete Südafrikas Präsident im Sinne des Teils des aufstrebenden schwarzen Kapitals, das er protegiert. Die »radikale Transformation der Wirtschaft«, die er in seiner Rede sechsmal erwähnte, ist dabei nur ein rhetorisches Mittel zum Zweck.

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