Im ewigen Eis

Fast 45 ist Claudia Pechstein, in Gangneung holt sie ihre 61. Medaille: WM-Silber

Sie läuft und läuft und läuft. Und noch immer kann ihr kaum eine das Wasser reichen: Claudia Pechstein, Polizeiobermeisterin aus Berlin, wird in neun Tagen 45 Jahre alt. Am Samstag war bei der Einzelstrecken-WM im südkoreanischen Gangneung nur eine Konkurrentin besser als die unermüdliche Eisschnellläuferin: Tschechiens Ausnahmeläuferin Martina Sablikova.

Die 29-Jährige aus Nove Mesto verteidigte auf der Olympiabahn von 2018 in schnellen 6:52,38 Minuten im letzten Lauf des 5000-Meter-Wettbewerbs ihre Goldmedaille, ihre neunte in Folge auf dieser Strecke seit 2007. Claudia Pechstein (6:53,93) war die erste, die ihrer Freundin Sablikova gratulierte, dann schnappte sich die Berlinerin eine Deutschlandfahne und ließ sich bei ihrer Kunstlaufeinlage von 4000 Zuschauern bejubeln.

»Heute war Zahltag!«, freute sie sich später im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Dass sie nach dem Ende ihres Laufes den Finger auf die Lippen gelegt hatte, habe vor allem ihren Kritikern gegolten: »Die Welt wartet doch darauf, dass ich endlich aufgebe. Der Erfolg galt allen, die mir Erfolg nicht gönnen oder die Scheiße über mich schreiben.«

Und so war nach dem Gewinn der 61. Medaille bei Olympia (9), WM (41), oder EM (11) sofort wieder das Lebensthema der 44-Jährigen allgegenwärtig: die Zweijahressperre zwischen 2009 und 2011, die der Weltverband ISU wegen auffälliger Blutwerte gegen die deutsche Rekord-Winterolympionikin (fünfmal Gold seit 1992) verhängt hatte. Pechstein fand im Nachhinein zwar etliche Hämatologen, die bestätigten, dass eine erbliche Blutanomalie die Ursache für die auffälligen Werte war, an Hand derer die ISU die Sperre verhängt hatte.

Doch die komplette Rehabilitation, die Claudia Pechstein erhofft hatte, blieb aus, vor allem, weil sie mit ihren Schadenersatzklagen scheiterte, zuletzt 2016 vorm Bundesgerichtshof. Viele Sportrechtler halten den BGH-Spruch für falsch, weil er voraussetzt, Verbandsfunktionäre hätten stets die Interessen der Athleten im Sinn und ihr natürliches Ziel sei der Antidopingkampf. Pechstein will weiter prozessieren und gegebenenfalls auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen.

Die Ungerechtigkeit, die Claudia Pechstein empfindet, ist längst ihr Antrieb geworden: »Erst wenn der Kampf gewonnen ist, dann steht eventuell das Karriereende an«, sagte Pechstein am Sonnabend. 2018 wird sie zum siebten Mal an Olympia teilnehmen, wie auch ihre Freundin und Bezwingerin Sablikova. Als die großartige Tschechin 2007 das erste Mal Gold gewinnen konnte, war Claudia Pechstein schon ein alter Hase im Eisschnelllaufsport: Ihren ersten internationalen Auftritt hatte sie im Dezember 1986 als Juniorin bei einem Länderkampf gegen die UdSSR und Polen in Karl-Marx-Stadt. Und als die Einzelstrecken-Weltmeisterschaften einst in Hamar ihre Premiere erlebten, gewann sie die 5000 Meter - 1996 war das. Im deutschen Team wurde damals gerade diese »neumodischen Klappschlittschuhe« ausprobiert.

Auch wenn der Körper heute immer öfter schmerzt, Claudia Pechstein ist dabeigeblieben: »Mein Trainer Peter Mueller sagt: ›Du bist nicht alt, nur erfahren!‹«

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