Schäuble hat wenig eingestellt

Beim Bundesfinanzministerium hat man aus dem Cum-Ex-Skandal wenig Konsequenzen gezogen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das war ein leichtes Spiel für die Cum-Ex-Szene«, fasst Richard Pitterle die Ergebnisse aus dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Bundestages zusammen. Ein Jahr lang versuchte der LINKEN-Politiker zusammen mit anderen Bundestagsabgeordneten, Licht ins Dunkel des vermutlich zwölf Milliarden Euro teuren Steuerskandals zu bringen. Vergangene Woche endete die Beweisaufnahme mit der Befragung von Wolfgang Schäuble (CDU) und seinem sozialdemokratischen Vorgänger Peer Steinbrück.

Doch wie hat dieser Skandal überhaupt zustande kommen können? Warum hat das Bundesfinanzministerium so versagt? Schließlich tat es jahrelang nichts, eine erste Gesetzesänderung 2007, bei der Bankenlobbyisten kräftig mitschrieben, ließ eine große Lücke, so dass die illegalen Deals rund um den Dividendenstichtag bis 2012 weiterlaufen konnten.

Als auf der »Arbeitsebene unterbesetzt und überfordert« sowie auf der »Leitungsebene unwissend« beschreibt Pitterle das Ministerium. So ist der Cum-Ex-Skandal ist die Geschichte eines Ministeriums, in dem Informationen erst zig Instanzen aufsteigen müssen, um dem politischen Verantwortlichen zugetragen zu werden. Letztlich ist es auch die Geschichte eines zweigeteilten Ministerium. Eines, das auf der einen Seite für die Steuergesetzgebung zuständig ist, auf der einen Seite aber auch für die Finanzmarktaufsicht.

So hätte eigentlich der dem Ministerium unterstellte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die krummen Deals der Banken und Investoren eigentlich auffallen müssen. »Das Bundesfinanzministerium und die ihm zugeordnete BaFin waren bei den Cum-Ex-Geschäften jahrelang ein Totalausfall«, sagt Pitterle. Gerade dort hätte man die Zuverlässigkeit »womöglich krimineller Bankvorstände« in Zweifel ziehen müssen.

So muss die BaFin zumindest dann tätig werden, wenn sie kriminelle Handlungen feststellt oder ein Kreditinstitut ins Wanken geraten kann. Die BaFin indes spricht lediglich von »rechtlich umstrittenen« Geschäften, während man im Ministerium über Parteigrenzen hinweg beteuert, dass man immer davon ausgegangen war, das Cum-Ex-Deals illegal waren. Weder Schäuble noch Steinbrück gehen dafür mit der BaFin ins Gericht. Stattdessen verteidigen sie die Frankfurter Behörde mit dem Hinweis darauf, dass sie in Steuerfragen gar nicht hätte aktiv werden dürfen.

Zumindest in einer Sache widersprachen sich Schäuble und Steinbrück. »Die ganze Personalausstattung des Bundesfinanzministeriums war immer unzureichend«, platzte es Steinbrück vergangenen Montag heraus. Mit dem Ruf nach mehr Personal sei man »im Interesse des Steuerzahlers« immer im Haushaltsausschuss gescheitert. »Ich habe niemals eine Klage gehört, es würde nicht genügend Personal vorhanden sein«, behauptete hingegen Schäuble.

Doch besonders aus dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) waren im Laufe der Sitzungen des Untersuchungsausschusses Klagen über Personalmangel zu vernehmen. Zwar hat man bei der Behörde, die die Cum-Ex-Deals untersucht, mittlerweile das Personal kräftig aufgestockt. Im Bundesministerium selbst sieht es jedoch anders aus.

Auf nd-Anfrage teilte Schäubles Ressort mit, dass die Personaldecke in den vergangen zehn Jahren fast konstant geblieben ist. Waren im Jahr 2007 dort insgesamt 1805 Personen beschäftigt, so waren es Anfang 2017 mit 1842 lediglich 35 Personen mehr. Zwar will das Ministerium aus Gründen des Datenschutzes keine Auskunft über die Beschäftigtenzahl der einzelnen Arbeitsebnen geben. Doch stimmen diese Zahlen bedenklich, da die Cum-Ex-Geschäft auch wegen der angespannten Personallage so lange laufen konnten. So ignorierte der zuständige Ministerialmitarbeiter aus Überforderung zunächst jahrelang Hinweise auf die illegalen Deals und holte sich dann jemanden zur Verstärkung, der später auf dem Gehaltszettel des Bankenverbandes war.

Für Pitterle ist es deswegen der vermutlich größte Verdienst des Ausschusses, Schäuble bei den sogenannten Cum-Cum-Deals zum Handeln gedrängt zu haben. »Dort würden sonst immer noch Milliarden den Bach runter gehen.« Auch diese Geschäfte waren jahrelang bekannt. Erschwert wurden sie erst letzten Sommer.

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