Die Nacht des Flamingos

Dirk Nowitzki knackt als sechster NBA-Spieler und erster Ausländer die Marke von 30.000 Punkten

Sportfans in den USA lieben Statistiken - und runde Zahlen. Dirk Nowitzki wusste also am Dienstagabend genau, was alle von ihm erwarteten. 29.980 Punkte hatte er bis zu diesem Tag in fast 19 Jahren NBA schon gesammelt, 20 fehlten dem deutschen Basketballstar noch bis zur rundesten Zahl, die er in seiner Karriere noch erreichen konnte: 30.000. Auf 20.484 Zuschauerplätzen lagen bereits T-Shirts mit seinem Schattenriss und dem Aufdruck »30K« bereit. Die American Airlines Arena von Dallas war ausverkauft, jeder wollte dabei sein, wenn der alte Held noch mal gefeiert wird.

»Als ich die T-Shirts sah, fand ich das erst mal gar nicht toll. Das hat nur den Druck noch mehr erhöht«, sagte Nowitzki, der sich wahrlich lange nicht mehr als so treffsicher wie früher erwiesen hatte. 20 Punkte gelingen ihm im hohen Basketballalter von 38 Jahren nur noch selten in einer Partie, doch beim Heimspiel seiner Dallas Mavericks gegen die Los Angeles Lakers legte er noch einmal los wie zu besten Zeiten. Einem Mitteldistanzwurf folgten zwei Dreier. Alle drin. Acht der ersten zehn Würfe fanden ihr Ziel, und nach gut 13 Spielminuten hatte er es schon geschafft. Die Mitspieler rasteten aus, die Fans rasteten aus, nur Nowitzki wollte einfach weiterspielen und warf eine Minute später gleich noch einen Dreier durch den Korb. Eine danach eilig einberufene »Feier«-Auszeit wurde von den Schiedsrichtern großzügig verlängert, damit alle Teammitglieder den blonden Riesen endlich mal so richtig knuddeln konnten und die Mavericks Zeit für ein Video hatten, das die größten Momente seiner Karriere auf den Videoleinwänden der Arena noch einmal zeigte.

Als sechster Spieler und erster Ausländer überhaupt hat Nowitzki also 30.000 Punkte in der NBA erzielt. »Das ist irgendwie surreal. Wenn man solche Meilensteine erreicht, denkt man zurück an die vielen Jahre, die schönen Momente, aber auch die vielen Spiele voller Enttäuschung«, sagte Nowitzki später. Noch immer kann er sich an sein erstes NBA-Jahr erinnern, in dem er ständig über seine Rolle in Dallas sinnierte und daran zweifelte, ob er jemals den Durchbruch schaffen würde. »Ich habe da sehr viel auf der Auswechselbank gesessen und gar nicht gespielt. Dass ich jetzt trotzdem auf 30.000 Punkte komme, hätte ich damals nie für möglich gehalten.«

Im Verlauf des Spiels gegen die Lakers wurden in jeder weiteren Auszeit neue Glückwunschvideos eingespielt: von Fans aus Dallas und Deutschland, von Prominenten und ehemaligen Mitspielern. »Du hättest mal häufiger den Ball weiterpassen sollen«, grüßte Jason Kidd, mit dem Nowitzki 2011 die einzige Meisterschaft für die Mavericks gewonnen hatte. Als die Kameras dann auch noch seinen Wurftrainer und Mentoren Holger Geschwindner mit Tränen in den Augen zeigten, sah man Nowitzki die eigene Rührung an. »Als er mir 1995 sagte, Basketball ist Jazz, dachte ich, der spinnt. Seine Trainingsmethoden waren anders, aber ich war irgendwann der einzige, der daran glaubte, denn sie haben Wirkung gezeigt«, schwelgte Nowitzki in Erinnerungen. »Ohne Holger wäre ich heute nicht hier.«

Ansonsten hat sich der Würzburger nie vom amerikanischen Statistikhype anstecken lassen. Im Mittelpunkt zu stehen, war auch nie sein Ding. »Ich kann relativ gut einen Ball in ein Körbchen werfen«, sagte er mal. »Andere sind auf ihrem Gebiet genauso gut, aber die kennt keiner. Und ich schreib› Autogramme.«

Längst wird Nowitzki kopiert. Der von ihm und Geschwindner kreierte Wurf im Zurückfallen, bei dem er nur mit einem Bein abspringt, hat sogar einen eigenen Namen. Den »Flamingo«, der kaum zu verteidigen ist, haben jetzt auch Kevin Durant, LeBron James und viele andere Stars der Szene in ihr Repertoire aufgenommen. Natürlich warf Nowitzki auch seinen 30.000. Punkt per Flamingo über Larry Nance Jr., der gerade mal sechs Jahre jung war, als Nowitzki seine ersten NBA-Punkte gesammelt hatte.

Gewinnen sei für den Deutschen immer noch das Wichtigste, sagt er. Doch bei solchen Sätzen geht es um keine Titel mehr, nur noch um einzelne Spiele. Er weiß, dass er mit Dallas wohl nie mehr ganz nach oben gelangen wird. Immerhin kann Dallas noch die Playoffs erreichen. Auf die Frage nach einer Feier sagte Nowitzki daher: »Ich habe ein Bierchen getrunken, und morgen konzentrieren wir uns wieder auf das nächste Spiel.«

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